Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 4. Leipzig, 1838.59. In was du bildend dich wirst ganzer Seele tauchen, Das kannst du fetzenweis am wenigsten verbrauchen. Was im Vorübergehn den Geist berührt und streift, Das ists wovon zum Schmuck er dis und das ergreift. Nicht wo du Einzelnes aufzählst das du gewannst, Das meiste lernst du da, wo du's nicht zählen kannst. 60. Du bist, mein Jüngling, nun in den Erobrungsjahren, Wo man erwerben will, und noch nicht muß bewahren. Erwirb soviel du kannst, wend' an was du gewannst, Und freue dich, daß du stets weitern Kreis umspannst. Dann aber, um nicht ins Unendliche zu fließen, Wirst du genöthigt seyn dich endlich abzuschließen; Dann glücklich, wenn du aus dem Weitern, das zerscheitert, Den heitern Geist gewannst, der Enges dir erweitert. 59. In was du bildend dich wirſt ganzer Seele tauchen, Das kannſt du fetzenweis am wenigſten verbrauchen. Was im Voruͤbergehn den Geiſt beruͤhrt und ſtreift, Das iſts wovon zum Schmuck er dis und das ergreift. Nicht wo du Einzelnes aufzaͤhlſt das du gewannſt, Das meiſte lernſt du da, wo du's nicht zaͤhlen kannſt. 60. Du biſt, mein Juͤngling, nun in den Erobrungsjahren, Wo man erwerben will, und noch nicht muß bewahren. Erwirb ſoviel du kannſt, wend' an was du gewannſt, Und freue dich, daß du ſtets weitern Kreis umſpannſt. Dann aber, um nicht ins Unendliche zu fließen, Wirſt du genoͤthigt ſeyn dich endlich abzuſchließen; Dann gluͤcklich, wenn du aus dem Weitern, das zerſcheitert, Den heitern Geiſt gewannſt, der Enges dir erweitert. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0051" n="41"/> <div n="2"> <head>59.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>In was du bildend dich wirſt ganzer Seele tauchen,</l><lb/> <l>Das kannſt du fetzenweis am wenigſten verbrauchen.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Was im Voruͤbergehn den Geiſt beruͤhrt und ſtreift,</l><lb/> <l>Das iſts wovon zum Schmuck er dis und das ergreift.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Nicht wo du Einzelnes aufzaͤhlſt das du gewannſt,</l><lb/> <l>Das meiſte lernſt du da, wo du's nicht zaͤhlen kannſt.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head>60.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Du biſt, mein Juͤngling, nun in den Erobrungsjahren,</l><lb/> <l>Wo man erwerben will, und noch nicht muß bewahren.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Erwirb ſoviel du kannſt, wend' an was du gewannſt,</l><lb/> <l>Und freue dich, daß du ſtets weitern Kreis umſpannſt.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Dann aber, um nicht ins Unendliche zu fließen,</l><lb/> <l>Wirſt du genoͤthigt ſeyn dich endlich abzuſchließen;</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Dann gluͤcklich, wenn du aus dem Weitern, das zerſcheitert,</l><lb/> <l>Den heitern Geiſt gewannſt, der Enges dir erweitert.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [41/0051]
59.
In was du bildend dich wirſt ganzer Seele tauchen,
Das kannſt du fetzenweis am wenigſten verbrauchen.
Was im Voruͤbergehn den Geiſt beruͤhrt und ſtreift,
Das iſts wovon zum Schmuck er dis und das ergreift.
Nicht wo du Einzelnes aufzaͤhlſt das du gewannſt,
Das meiſte lernſt du da, wo du's nicht zaͤhlen kannſt.
60.
Du biſt, mein Juͤngling, nun in den Erobrungsjahren,
Wo man erwerben will, und noch nicht muß bewahren.
Erwirb ſoviel du kannſt, wend' an was du gewannſt,
Und freue dich, daß du ſtets weitern Kreis umſpannſt.
Dann aber, um nicht ins Unendliche zu fließen,
Wirſt du genoͤthigt ſeyn dich endlich abzuſchließen;
Dann gluͤcklich, wenn du aus dem Weitern, das zerſcheitert,
Den heitern Geiſt gewannſt, der Enges dir erweitert.
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