Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 4. Leipzig, 1838.Daraus entblühn nun hie trostlose Zwitter, wie Poetische Prosa und prosaische Poesie. Und der sie rügt, mein Ton, bist du nicht auch ein Zwitter? Aus zweien nicht gemischt, einst du die zwei als dritter. 78. Wie kommt es, da du doch gern hörst das Wasser rauschen, Die Lüfte flüstern und die Zweige Grüße tauschen; Wie kommt es, da du gern die unverstandnen Lieder Des Vogels hörst, daß dir ist dieses Lied zuwider? Ist kein Verstand darin, betracht' als Klang es nur, Und nimm es eben auch als Stimme der Natur. -- Gern hör' ich die Natur in allen Stimmen reden, Und fühle jeden Ton, versteh' ich auch nicht jeden. Doch das ist eine Pein, was klingt wie Vögelein, Flut, Luft und Zweig, und will doch Menschensprache seyn. Daraus entbluͤhn nun hie troſtloſe Zwitter, wie Poetiſche Proſa und proſaiſche Poeſie. Und der ſie ruͤgt, mein Ton, biſt du nicht auch ein Zwitter? Aus zweien nicht gemiſcht, einſt du die zwei als dritter. 78. Wie kommt es, da du doch gern hoͤrſt das Waſſer rauſchen, Die Luͤfte fluͤſtern und die Zweige Gruͤße tauſchen; Wie kommt es, da du gern die unverſtandnen Lieder Des Vogels hoͤrſt, daß dir iſt dieſes Lied zuwider? Iſt kein Verſtand darin, betracht' als Klang es nur, Und nimm es eben auch als Stimme der Natur. — Gern hoͤr' ich die Natur in allen Stimmen reden, Und fuͤhle jeden Ton, verſteh' ich auch nicht jeden. Doch das iſt eine Pein, was klingt wie Voͤgelein, Flut, Luft und Zweig, und will doch Menſchenſprache ſeyn. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0330" n="320"/> <lg n="8"> <l>Daraus entbluͤhn nun hie troſtloſe Zwitter, wie</l><lb/> <l>Poetiſche Proſa und proſaiſche Poeſie.</l> </lg><lb/> <lg n="9"> <l>Und der ſie ruͤgt, mein Ton, biſt du nicht auch ein Zwitter?</l><lb/> <l>Aus zweien nicht gemiſcht, einſt du die zwei als dritter.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head>78.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Wie kommt es, da du doch gern hoͤrſt das Waſſer rauſchen,</l><lb/> <l>Die Luͤfte fluͤſtern und die Zweige Gruͤße tauſchen;</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Wie kommt es, da du gern die unverſtandnen Lieder</l><lb/> <l>Des Vogels hoͤrſt, daß dir iſt dieſes Lied zuwider?</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Iſt kein Verſtand darin, betracht' als Klang es nur,</l><lb/> <l>Und nimm es eben auch als Stimme der Natur. —</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Gern hoͤr' ich die Natur in allen Stimmen reden,</l><lb/> <l>Und fuͤhle jeden Ton, verſteh' ich auch nicht jeden.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Doch das iſt eine Pein, was klingt wie Voͤgelein,</l><lb/> <l>Flut, Luft und Zweig, und will doch Menſchenſprache ſeyn.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [320/0330]
Daraus entbluͤhn nun hie troſtloſe Zwitter, wie
Poetiſche Proſa und proſaiſche Poeſie.
Und der ſie ruͤgt, mein Ton, biſt du nicht auch ein Zwitter?
Aus zweien nicht gemiſcht, einſt du die zwei als dritter.
78.
Wie kommt es, da du doch gern hoͤrſt das Waſſer rauſchen,
Die Luͤfte fluͤſtern und die Zweige Gruͤße tauſchen;
Wie kommt es, da du gern die unverſtandnen Lieder
Des Vogels hoͤrſt, daß dir iſt dieſes Lied zuwider?
Iſt kein Verſtand darin, betracht' als Klang es nur,
Und nimm es eben auch als Stimme der Natur. —
Gern hoͤr' ich die Natur in allen Stimmen reden,
Und fuͤhle jeden Ton, verſteh' ich auch nicht jeden.
Doch das iſt eine Pein, was klingt wie Voͤgelein,
Flut, Luft und Zweig, und will doch Menſchenſprache ſeyn.
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Zitationshilfe: | Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 4. Leipzig, 1838, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane04_1838/330>, abgerufen am 16.02.2025. |