Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 4. Leipzig, 1838.35. Gott theilet, wie er will, die Güter aus hienieden; Fragst du, warum er dem hat mehr als dem beschieden? Wenn du nur wenig hast, ein andrer hat noch minder; Du bist bei weitem nicht das ärmste seiner Kinder. Doch seiner Kinder auch das ärmste fühlt sich reich, Das Gottes Kind ist, dies Gefühl macht alles gleich. Du möchtest theilen mit den Reichen wohl auf Erden Die Fülle, nicht auch mit den Armen die Beschwerden? Wenn Alles aber gleich getheilet Allen würde, Leicht käm' auf dich von Gut noch minder, mehr noch Bürde. Drum laß, wie's ist getheilt, und nimm an Lust und Leid Der Brüder Antheil ohn' Hartherzigkeit und Neid. Den Reichen laß sein Gut, wenn er's allein will tragen, Und tragen hilf so viel du kannst des Armen Plagen. 35. Gott theilet, wie er will, die Guͤter aus hienieden; Fragſt du, warum er dem hat mehr als dem beſchieden? Wenn du nur wenig haſt, ein andrer hat noch minder; Du biſt bei weitem nicht das aͤrmſte ſeiner Kinder. Doch ſeiner Kinder auch das aͤrmſte fuͤhlt ſich reich, Das Gottes Kind iſt, dies Gefuͤhl macht alles gleich. Du moͤchteſt theilen mit den Reichen wohl auf Erden Die Fuͤlle, nicht auch mit den Armen die Beſchwerden? Wenn Alles aber gleich getheilet Allen wuͤrde, Leicht kaͤm' auf dich von Gut noch minder, mehr noch Buͤrde. Drum laß, wie's iſt getheilt, und nimm an Luſt und Leid Der Bruͤder Antheil ohn' Hartherzigkeit und Neid. Den Reichen laß ſein Gut, wenn er's allein will tragen, Und tragen hilf ſo viel du kannſt des Armen Plagen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb n="288" facs="#f0298"/> <div n="2"> <head>35.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Gott theilet, wie er will, die Guͤter aus hienieden;</l><lb/> <l>Fragſt du, warum er dem hat mehr als dem beſchieden?</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Wenn du nur wenig haſt, ein andrer hat noch minder;</l><lb/> <l>Du biſt bei weitem nicht das aͤrmſte ſeiner Kinder.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Doch ſeiner Kinder auch das aͤrmſte fuͤhlt ſich reich,</l><lb/> <l>Das Gottes Kind iſt, dies Gefuͤhl macht alles gleich.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Du moͤchteſt theilen mit den Reichen wohl auf Erden</l><lb/> <l>Die Fuͤlle, nicht auch mit den Armen die Beſchwerden?</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Wenn Alles aber gleich getheilet Allen wuͤrde,</l><lb/> <l>Leicht kaͤm' auf dich von Gut noch minder, mehr noch Buͤrde.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Drum laß, wie's iſt getheilt, und nimm an Luſt und Leid</l><lb/> <l>Der Bruͤder Antheil ohn' Hartherzigkeit und Neid.</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>Den Reichen laß ſein Gut, wenn er's allein will tragen,</l><lb/> <l>Und tragen hilf ſo viel du kannſt des Armen Plagen.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone unit="section" rendition="#hr"/> </div> </body> </text> </TEI> [288/0298]
35.
Gott theilet, wie er will, die Guͤter aus hienieden;
Fragſt du, warum er dem hat mehr als dem beſchieden?
Wenn du nur wenig haſt, ein andrer hat noch minder;
Du biſt bei weitem nicht das aͤrmſte ſeiner Kinder.
Doch ſeiner Kinder auch das aͤrmſte fuͤhlt ſich reich,
Das Gottes Kind iſt, dies Gefuͤhl macht alles gleich.
Du moͤchteſt theilen mit den Reichen wohl auf Erden
Die Fuͤlle, nicht auch mit den Armen die Beſchwerden?
Wenn Alles aber gleich getheilet Allen wuͤrde,
Leicht kaͤm' auf dich von Gut noch minder, mehr noch Buͤrde.
Drum laß, wie's iſt getheilt, und nimm an Luſt und Leid
Der Bruͤder Antheil ohn' Hartherzigkeit und Neid.
Den Reichen laß ſein Gut, wenn er's allein will tragen,
Und tragen hilf ſo viel du kannſt des Armen Plagen.
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Zitationshilfe: | Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 4. Leipzig, 1838, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane04_1838/298>, abgerufen am 03.03.2025. |