Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 4. Leipzig, 1838.175. Was ungelesen ich zu lassen mir erlaube? Ein Büchlein, das mir will beweisen, was ich glaube. Wie sollt' ich, was ich glaub', erst mir beweisen lassen? Derweilen kann ich mich mit Nützlicherm befassen. Ich denke, solches Buch ist nicht für mich geschrieben, Es ist für andre, die bis jetzt unglaubig blieben. Allein auch diese wird es nicht zum Glauben treiben; Drum ohne Schaden konnt' es ungeschrieben bleiben. 176. Dein Streben sei, o Sohn, ein innres Gutes frei Zu machen so, daß es ein äußres Schönes sei. Warum soll gleißnerisch ein Schlechter sich bestreben, Mit falschem Scheine sich des Guten zu umgeben, Ein Guter aber sich im Gegentheil befleißen, Zu scheinen schlechter als er ist, um nicht zu gleißen? 175. Was ungeleſen ich zu laſſen mir erlaube? Ein Buͤchlein, das mir will beweiſen, was ich glaube. Wie ſollt' ich, was ich glaub', erſt mir beweiſen laſſen? Derweilen kann ich mich mit Nuͤtzlicherm befaſſen. Ich denke, ſolches Buch iſt nicht fuͤr mich geſchrieben, Es iſt fuͤr andre, die bis jetzt unglaubig blieben. Allein auch dieſe wird es nicht zum Glauben treiben; Drum ohne Schaden konnt' es ungeſchrieben bleiben. 176. Dein Streben ſei, o Sohn, ein innres Gutes frei Zu machen ſo, daß es ein aͤußres Schoͤnes ſei. Warum ſoll gleißneriſch ein Schlechter ſich beſtreben, Mit falſchem Scheine ſich des Guten zu umgeben, Ein Guter aber ſich im Gegentheil befleißen, Zu ſcheinen ſchlechter als er iſt, um nicht zu gleißen? <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0262" n="252"/> <div n="2"> <head>175.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Was ungeleſen ich zu laſſen mir erlaube?</l><lb/> <l>Ein Buͤchlein, das mir will beweiſen, was ich glaube.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Wie ſollt' ich, was ich glaub', erſt mir beweiſen laſſen?</l><lb/> <l>Derweilen kann ich mich mit Nuͤtzlicherm befaſſen.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Ich denke, ſolches Buch iſt nicht fuͤr mich geſchrieben,</l><lb/> <l>Es iſt fuͤr andre, die bis jetzt unglaubig blieben.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Allein auch dieſe wird es nicht zum Glauben treiben;</l><lb/> <l>Drum ohne Schaden konnt' es ungeſchrieben bleiben.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head>176.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Dein Streben ſei, o Sohn, ein innres Gutes frei</l><lb/> <l>Zu machen ſo, daß es ein aͤußres Schoͤnes ſei.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Warum ſoll gleißneriſch ein Schlechter ſich beſtreben,</l><lb/> <l>Mit falſchem Scheine ſich des Guten zu umgeben,</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Ein Guter aber ſich im Gegentheil befleißen,</l><lb/> <l>Zu ſcheinen ſchlechter als er iſt, um nicht zu gleißen?</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [252/0262]
175.
Was ungeleſen ich zu laſſen mir erlaube?
Ein Buͤchlein, das mir will beweiſen, was ich glaube.
Wie ſollt' ich, was ich glaub', erſt mir beweiſen laſſen?
Derweilen kann ich mich mit Nuͤtzlicherm befaſſen.
Ich denke, ſolches Buch iſt nicht fuͤr mich geſchrieben,
Es iſt fuͤr andre, die bis jetzt unglaubig blieben.
Allein auch dieſe wird es nicht zum Glauben treiben;
Drum ohne Schaden konnt' es ungeſchrieben bleiben.
176.
Dein Streben ſei, o Sohn, ein innres Gutes frei
Zu machen ſo, daß es ein aͤußres Schoͤnes ſei.
Warum ſoll gleißneriſch ein Schlechter ſich beſtreben,
Mit falſchem Scheine ſich des Guten zu umgeben,
Ein Guter aber ſich im Gegentheil befleißen,
Zu ſcheinen ſchlechter als er iſt, um nicht zu gleißen?
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