Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 4. Leipzig, 1838.

Bild:
<< vorherige Seite
171.
Ein König möcht' ich seyn, ein Herr der Morgenlande,
Der so zu geben als zu nehmen wär' im Stande.
Der keinen vor sich ließ' erscheinen ohne Gaben,
Und keinen von sich gehn, ohn' ihn beschenkt zu haben.
Wer sein Geschenk empfängt, den wird es nicht beschämen,
Und selber ohne Scham kann er Geschenk' annehmen;
Weil alles ihm gehört, was Menschen freut und frommt,
So einzig zu ihm geht, wie einzig von ihm kommt.
Des Gabentausches wie sollt' er sich scheun und schämen,
Da Götter Segen streun und Opferduft annehmen?
Ein solcher möcht' ich seyn, um ohne Scheu und Bangen
Geschenke selbst noch mehr zu geben als empfangen;
Daß Reichempfangenes nicht müßte mich erniedern
Durch das Gefühl, ich sei zu arm es zu erwiedern.

171.
Ein Koͤnig moͤcht' ich ſeyn, ein Herr der Morgenlande,
Der ſo zu geben als zu nehmen waͤr' im Stande.
Der keinen vor ſich ließ' erſcheinen ohne Gaben,
Und keinen von ſich gehn, ohn' ihn beſchenkt zu haben.
Wer ſein Geſchenk empfaͤngt, den wird es nicht beſchaͤmen,
Und ſelber ohne Scham kann er Geſchenk' annehmen;
Weil alles ihm gehoͤrt, was Menſchen freut und frommt,
So einzig zu ihm geht, wie einzig von ihm kommt.
Des Gabentauſches wie ſollt' er ſich ſcheun und ſchaͤmen,
Da Goͤtter Segen ſtreun und Opferduft annehmen?
Ein ſolcher moͤcht' ich ſeyn, um ohne Scheu und Bangen
Geſchenke ſelbſt noch mehr zu geben als empfangen;
Daß Reichempfangenes nicht muͤßte mich erniedern
Durch das Gefuͤhl, ich ſei zu arm es zu erwiedern.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0258" n="248"/>
        <div n="2">
          <head>171.</head><lb/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>Ein Ko&#x0364;nig mo&#x0364;cht' ich &#x017F;eyn, ein Herr der Morgenlande,</l><lb/>
              <l>Der &#x017F;o zu geben als zu nehmen wa&#x0364;r' im Stande.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Der keinen vor &#x017F;ich ließ' er&#x017F;cheinen ohne Gaben,</l><lb/>
              <l>Und keinen von &#x017F;ich gehn, ohn' ihn be&#x017F;chenkt zu haben.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Wer &#x017F;ein Ge&#x017F;chenk empfa&#x0364;ngt, den wird es nicht be&#x017F;cha&#x0364;men,</l><lb/>
              <l>Und &#x017F;elber ohne Scham kann er Ge&#x017F;chenk' annehmen;</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="4">
              <l>Weil alles ihm geho&#x0364;rt, was Men&#x017F;chen freut und frommt,</l><lb/>
              <l>So einzig zu ihm geht, wie einzig von ihm kommt.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="5">
              <l>Des Gabentau&#x017F;ches wie &#x017F;ollt' er &#x017F;ich &#x017F;cheun und &#x017F;cha&#x0364;men,</l><lb/>
              <l>Da Go&#x0364;tter Segen &#x017F;treun und Opferduft annehmen?</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="6">
              <l>Ein &#x017F;olcher mo&#x0364;cht' ich &#x017F;eyn, um ohne Scheu und Bangen</l><lb/>
              <l>Ge&#x017F;chenke &#x017F;elb&#x017F;t noch mehr zu geben als empfangen;</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="7">
              <l>Daß Reichempfangenes nicht mu&#x0364;ßte mich erniedern</l><lb/>
              <l>Durch das Gefu&#x0364;hl, ich &#x017F;ei zu arm es zu erwiedern.</l>
            </lg><lb/>
          </lg>
        </div>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[248/0258] 171. Ein Koͤnig moͤcht' ich ſeyn, ein Herr der Morgenlande, Der ſo zu geben als zu nehmen waͤr' im Stande. Der keinen vor ſich ließ' erſcheinen ohne Gaben, Und keinen von ſich gehn, ohn' ihn beſchenkt zu haben. Wer ſein Geſchenk empfaͤngt, den wird es nicht beſchaͤmen, Und ſelber ohne Scham kann er Geſchenk' annehmen; Weil alles ihm gehoͤrt, was Menſchen freut und frommt, So einzig zu ihm geht, wie einzig von ihm kommt. Des Gabentauſches wie ſollt' er ſich ſcheun und ſchaͤmen, Da Goͤtter Segen ſtreun und Opferduft annehmen? Ein ſolcher moͤcht' ich ſeyn, um ohne Scheu und Bangen Geſchenke ſelbſt noch mehr zu geben als empfangen; Daß Reichempfangenes nicht muͤßte mich erniedern Durch das Gefuͤhl, ich ſei zu arm es zu erwiedern.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane04_1838
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane04_1838/258
Zitationshilfe: Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 4. Leipzig, 1838, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane04_1838/258>, abgerufen am 23.12.2024.