Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 4. Leipzig, 1838.143. Wie oft nicht hab' ich schon, von dunklem Drang getrieben, Das Gegentheil von dem, was ich gedacht, geschrieben. Aus Ungeschicklichkeit? aus Falschheit? nicht doch! weil Das Denken immer sucht sein eignes Gegentheil. 144. Du nimmst die Gründe nach einander einzeln vor, Und freust dich wie so leicht jeder die Kraft verlor. Doch wenn ihr ganzes Heer dir in geschlossnen Gliedern Entgegenrückt, was kanst du ihrem Stoß erwidern? 145. Die Liebe, wie ein Kind, liebt art'ge Plauderei, Doch eine weiß ich von der Kinderunart frei, Zuneigung herzliche, die sich dir nicht zu zeigen Braucht, um erkannt zu seyn, weil du verstehst ihr Schweigen. 143. Wie oft nicht hab' ich ſchon, von dunklem Drang getrieben, Das Gegentheil von dem, was ich gedacht, geſchrieben. Aus Ungeſchicklichkeit? aus Falſchheit? nicht doch! weil Das Denken immer ſucht ſein eignes Gegentheil. 144. Du nimmſt die Gruͤnde nach einander einzeln vor, Und freuſt dich wie ſo leicht jeder die Kraft verlor. Doch wenn ihr ganzes Heer dir in geſchloſſnen Gliedern Entgegenruͤckt, was kanſt du ihrem Stoß erwidern? 145. Die Liebe, wie ein Kind, liebt art'ge Plauderei, Doch eine weiß ich von der Kinderunart frei, Zuneigung herzliche, die ſich dir nicht zu zeigen Braucht, um erkannt zu ſeyn, weil du verſtehſt ihr Schweigen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0239" n="229"/> <div n="2"> <head>143.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Wie oft nicht hab' ich ſchon, von dunklem Drang getrieben,</l><lb/> <l>Das Gegentheil von dem, was ich gedacht, geſchrieben.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Aus Ungeſchicklichkeit? aus Falſchheit? nicht doch! weil</l><lb/> <l>Das Denken immer ſucht ſein eignes Gegentheil.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head>144.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Du nimmſt die Gruͤnde nach einander einzeln vor,</l><lb/> <l>Und freuſt dich wie ſo leicht jeder die Kraft verlor.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Doch wenn ihr ganzes Heer dir in geſchloſſnen Gliedern</l><lb/> <l>Entgegenruͤckt, was kanſt du ihrem Stoß erwidern?</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head>145.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Die Liebe, wie ein Kind, liebt art'ge Plauderei,</l><lb/> <l>Doch eine weiß ich von der Kinderunart frei,</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Zuneigung herzliche, die ſich dir nicht zu zeigen</l><lb/> <l>Braucht, um erkannt zu ſeyn, weil du verſtehſt ihr Schweigen.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [229/0239]
143.
Wie oft nicht hab' ich ſchon, von dunklem Drang getrieben,
Das Gegentheil von dem, was ich gedacht, geſchrieben.
Aus Ungeſchicklichkeit? aus Falſchheit? nicht doch! weil
Das Denken immer ſucht ſein eignes Gegentheil.
144.
Du nimmſt die Gruͤnde nach einander einzeln vor,
Und freuſt dich wie ſo leicht jeder die Kraft verlor.
Doch wenn ihr ganzes Heer dir in geſchloſſnen Gliedern
Entgegenruͤckt, was kanſt du ihrem Stoß erwidern?
145.
Die Liebe, wie ein Kind, liebt art'ge Plauderei,
Doch eine weiß ich von der Kinderunart frei,
Zuneigung herzliche, die ſich dir nicht zu zeigen
Braucht, um erkannt zu ſeyn, weil du verſtehſt ihr Schweigen.
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