Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 4. Leipzig, 1838.107. Wie wenig ist was die einander hier doch geben, Die in des äußern Weltverkehrs Berührung leben; Die sich erregen meist nur um sich zu verwirren, Und sich begegnen um sich gegenseits zu irren; Die selten oder nie einander weiter bringen In großen Dingen, und sich streiten in geringen; Wie wenig gegen das, was ein Gemüt durchbebt, Das mit der Menschheit eins in höherm Chore lebt! Die Menschheit stellt sich klar nur in der Ganzheit dar, Und in der Einzelheit, doch niemals in der Schaar. Und von der Einzelheit ist Ganzheit nicht verschieden; Der Ganzheit Träger ist die Einzelheit hienieden. Das ist das Selbst, das selbsuchtlos der Weise sucht, Das Selbst, vor dem der Thor ist immer auf der Flucht. Er flieht zum Lerm der Welt, sich selbst zu übertäuben, Ins Leer sein leeres Selbstbewustseyn zu zerstäuben. 107. Wie wenig iſt was die einander hier doch geben, Die in des aͤußern Weltverkehrs Beruͤhrung leben; Die ſich erregen meiſt nur um ſich zu verwirren, Und ſich begegnen um ſich gegenſeits zu irren; Die ſelten oder nie einander weiter bringen In großen Dingen, und ſich ſtreiten in geringen; Wie wenig gegen das, was ein Gemuͤt durchbebt, Das mit der Menſchheit eins in hoͤherm Chore lebt! Die Menſchheit ſtellt ſich klar nur in der Ganzheit dar, Und in der Einzelheit, doch niemals in der Schaar. Und von der Einzelheit iſt Ganzheit nicht verſchieden; Der Ganzheit Traͤger iſt die Einzelheit hienieden. Das iſt das Selbſt, das ſelbſuchtlos der Weiſe ſucht, Das Selbſt, vor dem der Thor iſt immer auf der Flucht. Er flieht zum Lerm der Welt, ſich ſelbſt zu uͤbertaͤuben, Ins Leer ſein leeres Selbſtbewuſtſeyn zu zerſtaͤuben. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0212" n="202"/> <div n="2"> <head>107.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Wie wenig iſt was die einander hier doch geben,</l><lb/> <l>Die in des aͤußern Weltverkehrs Beruͤhrung leben;</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Die ſich erregen meiſt nur um ſich zu verwirren,</l><lb/> <l>Und ſich begegnen um ſich gegenſeits zu irren;</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Die ſelten oder nie einander weiter bringen</l><lb/> <l>In großen Dingen, und ſich ſtreiten in geringen;</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Wie wenig gegen das, was ein Gemuͤt durchbebt,</l><lb/> <l>Das mit der Menſchheit eins in hoͤherm Chore lebt!</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Die Menſchheit ſtellt ſich klar nur in der Ganzheit dar,</l><lb/> <l>Und in der Einzelheit, doch niemals in der Schaar.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Und von der Einzelheit iſt Ganzheit nicht verſchieden;</l><lb/> <l>Der Ganzheit Traͤger iſt die Einzelheit hienieden.</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>Das iſt das Selbſt, das ſelbſuchtlos der Weiſe ſucht,</l><lb/> <l>Das Selbſt, vor dem der Thor iſt immer auf der Flucht.</l> </lg><lb/> <lg n="8"> <l>Er flieht zum Lerm der Welt, ſich ſelbſt zu uͤbertaͤuben,</l><lb/> <l>Ins Leer ſein leeres Selbſtbewuſtſeyn zu zerſtaͤuben.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [202/0212]
107.
Wie wenig iſt was die einander hier doch geben,
Die in des aͤußern Weltverkehrs Beruͤhrung leben;
Die ſich erregen meiſt nur um ſich zu verwirren,
Und ſich begegnen um ſich gegenſeits zu irren;
Die ſelten oder nie einander weiter bringen
In großen Dingen, und ſich ſtreiten in geringen;
Wie wenig gegen das, was ein Gemuͤt durchbebt,
Das mit der Menſchheit eins in hoͤherm Chore lebt!
Die Menſchheit ſtellt ſich klar nur in der Ganzheit dar,
Und in der Einzelheit, doch niemals in der Schaar.
Und von der Einzelheit iſt Ganzheit nicht verſchieden;
Der Ganzheit Traͤger iſt die Einzelheit hienieden.
Das iſt das Selbſt, das ſelbſuchtlos der Weiſe ſucht,
Das Selbſt, vor dem der Thor iſt immer auf der Flucht.
Er flieht zum Lerm der Welt, ſich ſelbſt zu uͤbertaͤuben,
Ins Leer ſein leeres Selbſtbewuſtſeyn zu zerſtaͤuben.
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