Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 3. Leipzig, 1837.Das sind die Knospen, die noch nicht sind aufgegangen, Die aufgegangen einst als Rosen werden prangen. Wann? frage nicht. Ein Tag schmückt hier den Rosenhag, Doch hunderttausend Jahr sind dort ein Frühlingstag. 70. Im Anfang war das Licht, ein goldner Aetherduft, Der wollte anders seyn, und ward sein Andres, Luft. Die Lüfte strebten sich mit Sehnsucht auszudehnen, Und nieder flossen sie in Wasser wie in Thränen. Das Wasser gohr vor Lust und zeugete den Schaum, Da ward verdichtet Schlamm, und trug dann Gras und Baum. Die Schlammerd' aber schloß sich fest in sich hinein, Und ward im Innersten verhärtet Erz und Stein. Der Stein erregte sich, und schlug hervor das Feuer, Das ward im Tiefen bald ein Herrscher ungeheuer. Das ſind die Knoſpen, die noch nicht ſind aufgegangen, Die aufgegangen einſt als Roſen werden prangen. Wann? frage nicht. Ein Tag ſchmuͤckt hier den Roſenhag, Doch hunderttauſend Jahr ſind dort ein Fruͤhlingstag. 70. Im Anfang war das Licht, ein goldner Aetherduft, Der wollte anders ſeyn, und ward ſein Andres, Luft. Die Luͤfte ſtrebten ſich mit Sehnſucht auszudehnen, Und nieder floſſen ſie in Waſſer wie in Thraͤnen. Das Waſſer gohr vor Luſt und zeugete den Schaum, Da ward verdichtet Schlamm, und trug dann Gras und Baum. Die Schlammerd' aber ſchloß ſich feſt in ſich hinein, Und ward im Innerſten verhaͤrtet Erz und Stein. Der Stein erregte ſich, und ſchlug hervor das Feuer, Das ward im Tiefen bald ein Herrſcher ungeheuer. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0070" n="60"/> <lg n="5"> <l>Das ſind die Knoſpen, die noch nicht ſind aufgegangen,</l><lb/> <l>Die aufgegangen einſt als Roſen werden prangen.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Wann? frage nicht. Ein Tag ſchmuͤckt hier den Roſenhag,</l><lb/> <l>Doch hunderttauſend Jahr ſind dort ein Fruͤhlingstag.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head>70.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Im Anfang war das Licht, ein goldner Aetherduft,</l><lb/> <l>Der wollte anders ſeyn, und ward ſein Andres, Luft.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Die Luͤfte ſtrebten ſich mit Sehnſucht auszudehnen,</l><lb/> <l>Und nieder floſſen ſie in Waſſer wie in Thraͤnen.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Das Waſſer gohr vor Luſt und zeugete den Schaum,</l><lb/> <l>Da ward verdichtet Schlamm, und trug dann Gras und Baum.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Die Schlammerd' aber ſchloß ſich feſt in ſich hinein,</l><lb/> <l>Und ward im Innerſten verhaͤrtet Erz und Stein.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Der Stein erregte ſich, und ſchlug hervor das Feuer,</l><lb/> <l>Das ward im Tiefen bald ein Herrſcher ungeheuer.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [60/0070]
Das ſind die Knoſpen, die noch nicht ſind aufgegangen,
Die aufgegangen einſt als Roſen werden prangen.
Wann? frage nicht. Ein Tag ſchmuͤckt hier den Roſenhag,
Doch hunderttauſend Jahr ſind dort ein Fruͤhlingstag.
70.
Im Anfang war das Licht, ein goldner Aetherduft,
Der wollte anders ſeyn, und ward ſein Andres, Luft.
Die Luͤfte ſtrebten ſich mit Sehnſucht auszudehnen,
Und nieder floſſen ſie in Waſſer wie in Thraͤnen.
Das Waſſer gohr vor Luſt und zeugete den Schaum,
Da ward verdichtet Schlamm, und trug dann Gras und Baum.
Die Schlammerd' aber ſchloß ſich feſt in ſich hinein,
Und ward im Innerſten verhaͤrtet Erz und Stein.
Der Stein erregte ſich, und ſchlug hervor das Feuer,
Das ward im Tiefen bald ein Herrſcher ungeheuer.
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