Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 3. Leipzig, 1837.42. Ein Vöglein hatte sich in meinen Schutz begeben, Es wollt' in Sicherheit, wenngleich gefangen, leben, In Sicherheit vorm Schreck des Reichs der Luft, dem Geier, Vor welchem sicher sich kein Vogel fühlt, kein freier. So gern gefangen nun vor meinem Fenster hieng's, Doch im Gefängnisse dem Schicksal nicht entgieng's. Ein Geier nahte kühn zum Kerker seiner Lust, Und schlug durchs Gitter ihm die Krallen in die Brust. Doch konnt' er seinen Raub nicht in die Lüfte tragen, Und sterbend ließ ers uns zurück, es zu beklagen. Durch seine Dienstbarkeit hat es nur dis erworben, Daß es nicht unbemerkt noch unbeklagt gestorben. 42. Ein Voͤglein hatte ſich in meinen Schutz begeben, Es wollt' in Sicherheit, wenngleich gefangen, leben, In Sicherheit vorm Schreck des Reichs der Luft, dem Geier, Vor welchem ſicher ſich kein Vogel fuͤhlt, kein freier. So gern gefangen nun vor meinem Fenſter hieng's, Doch im Gefaͤngniſſe dem Schickſal nicht entgieng's. Ein Geier nahte kuͤhn zum Kerker ſeiner Luſt, Und ſchlug durchs Gitter ihm die Krallen in die Bruſt. Doch konnt' er ſeinen Raub nicht in die Luͤfte tragen, Und ſterbend ließ ers uns zuruͤck, es zu beklagen. Durch ſeine Dienſtbarkeit hat es nur dis erworben, Daß es nicht unbemerkt noch unbeklagt geſtorben. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0045" n="35"/> <div n="2"> <head>42.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Ein Voͤglein hatte ſich in meinen Schutz begeben,</l><lb/> <l>Es wollt' in Sicherheit, wenngleich gefangen, leben,</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>In Sicherheit vorm Schreck des Reichs der Luft, dem Geier,</l><lb/> <l>Vor welchem ſicher ſich kein Vogel fuͤhlt, kein freier.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>So gern gefangen nun vor meinem Fenſter hieng's,</l><lb/> <l>Doch im Gefaͤngniſſe dem Schickſal nicht entgieng's.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Ein Geier nahte kuͤhn zum Kerker ſeiner Luſt,</l><lb/> <l>Und ſchlug durchs Gitter ihm die Krallen in die Bruſt.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Doch konnt' er ſeinen Raub nicht in die Luͤfte tragen,</l><lb/> <l>Und ſterbend ließ ers uns zuruͤck, es zu beklagen.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Durch ſeine Dienſtbarkeit hat es nur dis erworben,</l><lb/> <l>Daß es nicht unbemerkt noch unbeklagt geſtorben.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [35/0045]
42.
Ein Voͤglein hatte ſich in meinen Schutz begeben,
Es wollt' in Sicherheit, wenngleich gefangen, leben,
In Sicherheit vorm Schreck des Reichs der Luft, dem Geier,
Vor welchem ſicher ſich kein Vogel fuͤhlt, kein freier.
So gern gefangen nun vor meinem Fenſter hieng's,
Doch im Gefaͤngniſſe dem Schickſal nicht entgieng's.
Ein Geier nahte kuͤhn zum Kerker ſeiner Luſt,
Und ſchlug durchs Gitter ihm die Krallen in die Bruſt.
Doch konnt' er ſeinen Raub nicht in die Luͤfte tragen,
Und ſterbend ließ ers uns zuruͤck, es zu beklagen.
Durch ſeine Dienſtbarkeit hat es nur dis erworben,
Daß es nicht unbemerkt noch unbeklagt geſtorben.
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Zitationshilfe: | Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 3. Leipzig, 1837, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane03_1837/45>, abgerufen am 25.07.2024. |