Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 3. Leipzig, 1837.Der jüngste aber bringt sein Vögelein lebendig; Was würgtest du es nicht? Er sprach darauf verständig: Weil ich den Ort nicht fand, o Meister, welchen du Mich suchen hießest, da kein Blick mir sähe zu. Ein Blick sieht überall, er sieht aufs Leben nieder, Wie meins, des Vögeleins; drum bring' ichs lebend wieder. -- Der Meister sah sich um, die Schüler waren stumm; Den jüngsten zog er vor, nun wußten sie, warum. -- Die todten Vögelein setzt' er zurück ins Nest, Ums lebende herum, und drückte sanft sie fest. Vom Wunderhauch der Huld sind sie lebendig worden; Beleben kann der Herr, doch soll der Mensch nicht morden. Der juͤngſte aber bringt ſein Voͤgelein lebendig; Was wuͤrgteſt du es nicht? Er ſprach darauf verſtaͤndig: Weil ich den Ort nicht fand, o Meiſter, welchen du Mich ſuchen hießeſt, da kein Blick mir ſaͤhe zu. Ein Blick ſieht uͤberall, er ſieht aufs Leben nieder, Wie meins, des Voͤgeleins; drum bring' ichs lebend wieder. — Der Meiſter ſah ſich um, die Schuͤler waren ſtumm; Den juͤngſten zog er vor, nun wußten ſie, warum. — Die todten Voͤgelein ſetzt' er zuruͤck ins Neſt, Ums lebende herum, und druͤckte ſanft ſie feſt. Vom Wunderhauch der Huld ſind ſie lebendig worden; Beleben kann der Herr, doch ſoll der Menſch nicht morden. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0226" n="216"/> <lg n="9"> <l>Der juͤngſte aber bringt ſein Voͤgelein lebendig;</l><lb/> <l>Was wuͤrgteſt du es nicht? Er ſprach darauf verſtaͤndig:</l> </lg><lb/> <lg n="10"> <l>Weil ich den Ort nicht fand, o Meiſter, welchen du</l><lb/> <l>Mich ſuchen hießeſt, da kein Blick mir ſaͤhe zu.</l> </lg><lb/> <lg n="11"> <l>Ein Blick ſieht uͤberall, er ſieht aufs Leben nieder,</l><lb/> <l>Wie meins, des Voͤgeleins; drum bring' ichs lebend wieder. —</l> </lg><lb/> <lg n="12"> <l>Der Meiſter ſah ſich um, die Schuͤler waren ſtumm;</l><lb/> <l>Den juͤngſten zog er vor, nun wußten ſie, warum. —</l> </lg><lb/> <lg n="13"> <l>Die todten Voͤgelein ſetzt' er zuruͤck ins Neſt,</l><lb/> <l>Ums lebende herum, und druͤckte ſanft ſie feſt.</l> </lg><lb/> <lg n="14"> <l>Vom Wunderhauch der Huld ſind ſie lebendig worden;</l><lb/> <l>Beleben kann der Herr, doch ſoll der Menſch nicht morden.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [216/0226]
Der juͤngſte aber bringt ſein Voͤgelein lebendig;
Was wuͤrgteſt du es nicht? Er ſprach darauf verſtaͤndig:
Weil ich den Ort nicht fand, o Meiſter, welchen du
Mich ſuchen hießeſt, da kein Blick mir ſaͤhe zu.
Ein Blick ſieht uͤberall, er ſieht aufs Leben nieder,
Wie meins, des Voͤgeleins; drum bring' ichs lebend wieder. —
Der Meiſter ſah ſich um, die Schuͤler waren ſtumm;
Den juͤngſten zog er vor, nun wußten ſie, warum. —
Die todten Voͤgelein ſetzt' er zuruͤck ins Neſt,
Ums lebende herum, und druͤckte ſanft ſie feſt.
Vom Wunderhauch der Huld ſind ſie lebendig worden;
Beleben kann der Herr, doch ſoll der Menſch nicht morden.
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Zitationshilfe: | Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 3. Leipzig, 1837, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane03_1837/226>, abgerufen am 25.07.2024. |