Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 3. Leipzig, 1837.122. Bei einem Lehrer ist von Schülern eine Gilde, Die unterweiset er in Gottesfurcht und Milde. Er weist zu Gottesfurcht und Milde nur sie an, Doch einer eilt voraus den andern auf der Bahn. Am allerjüngsten hat der Meister Wohlgefallen, Weil er ihn sieht im Geist voran den andern wallen. Die andern aber, die voran im Alter gehn, Sie fragen sich, warum ihr Meister vorzieht den? Warum uns ältern ihn, den jüngsten, ziehst du vor? Er sprach: Ich sag' es euch, doch thut mir dis zuvor: Von diesen Vögelein (er nahm sie aus dem Neste) Nehmt jeder eins zur Hand, und geht damit aufs beste Hinaus an einen Ort, da wo euch sieht kein Blick; Erwürgt die Vögel dort, und bringt sie her zurück. -- Sie gehn, und bringen dann die todten ohne Beben, Als sollt', ein Wundermann, der Meister sie beleben. 122. Bei einem Lehrer iſt von Schuͤlern eine Gilde, Die unterweiſet er in Gottesfurcht und Milde. Er weiſt zu Gottesfurcht und Milde nur ſie an, Doch einer eilt voraus den andern auf der Bahn. Am allerjuͤngſten hat der Meiſter Wohlgefallen, Weil er ihn ſieht im Geiſt voran den andern wallen. Die andern aber, die voran im Alter gehn, Sie fragen ſich, warum ihr Meiſter vorzieht den? Warum uns aͤltern ihn, den juͤngſten, ziehſt du vor? Er ſprach: Ich ſag' es euch, doch thut mir dis zuvor: Von dieſen Voͤgelein (er nahm ſie aus dem Neſte) Nehmt jeder eins zur Hand, und geht damit aufs beſte Hinaus an einen Ort, da wo euch ſieht kein Blick; Erwuͤrgt die Voͤgel dort, und bringt ſie her zuruͤck. — Sie gehn, und bringen dann die todten ohne Beben, Als ſollt', ein Wundermann, der Meiſter ſie beleben. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0225" n="215"/> <div n="2"> <head>122.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Bei einem Lehrer iſt von Schuͤlern eine Gilde,</l><lb/> <l>Die unterweiſet er in Gottesfurcht und Milde.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Er weiſt zu Gottesfurcht und Milde nur ſie an,</l><lb/> <l>Doch einer eilt voraus den andern auf der Bahn.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Am allerjuͤngſten hat der Meiſter Wohlgefallen,</l><lb/> <l>Weil er ihn ſieht im Geiſt voran den andern wallen.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Die andern aber, die voran im Alter gehn,</l><lb/> <l>Sie fragen ſich, warum ihr Meiſter vorzieht den?</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Warum uns aͤltern ihn, den juͤngſten, ziehſt du vor?</l><lb/> <l>Er ſprach: Ich ſag' es euch, doch thut mir dis zuvor:</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Von dieſen Voͤgelein (er nahm ſie aus dem Neſte)</l><lb/> <l>Nehmt jeder eins zur Hand, und geht damit aufs beſte</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>Hinaus an einen Ort, da wo euch ſieht kein Blick;</l><lb/> <l>Erwuͤrgt die Voͤgel dort, und bringt ſie her zuruͤck. —</l> </lg><lb/> <lg n="8"> <l>Sie gehn, und bringen dann die todten ohne Beben,</l><lb/> <l>Als ſollt', ein Wundermann, der Meiſter ſie beleben.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [215/0225]
122.
Bei einem Lehrer iſt von Schuͤlern eine Gilde,
Die unterweiſet er in Gottesfurcht und Milde.
Er weiſt zu Gottesfurcht und Milde nur ſie an,
Doch einer eilt voraus den andern auf der Bahn.
Am allerjuͤngſten hat der Meiſter Wohlgefallen,
Weil er ihn ſieht im Geiſt voran den andern wallen.
Die andern aber, die voran im Alter gehn,
Sie fragen ſich, warum ihr Meiſter vorzieht den?
Warum uns aͤltern ihn, den juͤngſten, ziehſt du vor?
Er ſprach: Ich ſag' es euch, doch thut mir dis zuvor:
Von dieſen Voͤgelein (er nahm ſie aus dem Neſte)
Nehmt jeder eins zur Hand, und geht damit aufs beſte
Hinaus an einen Ort, da wo euch ſieht kein Blick;
Erwuͤrgt die Voͤgel dort, und bringt ſie her zuruͤck. —
Sie gehn, und bringen dann die todten ohne Beben,
Als ſollt', ein Wundermann, der Meiſter ſie beleben.
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