Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 3. Leipzig, 1837.79. Dem Menschen ist ein Recht gegeben auf die Sachen, Von Gott hat ers zu Lehn, wer kanns ihm streitig machen? Wenn von den Menschen wär' ein einziger am Leben, Die ganze Erde wär' in seine Hand gegeben. So wie im Anbeginn, wir glauben's, einer war, In dem sich ungetheilt die Menschheit stellte dar. Doch als zum Manne nun das Weib hinzugekommen, Ward diesem wohl ein Theil, der jenem ward genommen? Mitnichten; weil das Paar in Zweiheit Eines war, War zur Entzweiung im Besitz auch nicht Gefahr. Und also, wo noch zwei in Liebe werden Eines, Ist ihr Besitzrecht an die Welt ein allgemeines. Denn ganz in jedem Paar stellt sich die Menschheit dar, Von allwievielen schon die Welt besessen war. Bescheiden ziehen sie auch ihr beschieden Loß, Und sei es klein, so mach' es Lieb' und Treue groß. 79. Dem Menſchen iſt ein Recht gegeben auf die Sachen, Von Gott hat ers zu Lehn, wer kanns ihm ſtreitig machen? Wenn von den Menſchen waͤr' ein einziger am Leben, Die ganze Erde waͤr' in ſeine Hand gegeben. So wie im Anbeginn, wir glauben's, einer war, In dem ſich ungetheilt die Menſchheit ſtellte dar. Doch als zum Manne nun das Weib hinzugekommen, Ward dieſem wohl ein Theil, der jenem ward genommen? Mitnichten; weil das Paar in Zweiheit Eines war, War zur Entzweiung im Beſitz auch nicht Gefahr. Und alſo, wo noch zwei in Liebe werden Eines, Iſt ihr Beſitzrecht an die Welt ein allgemeines. Denn ganz in jedem Paar ſtellt ſich die Menſchheit dar, Von allwievielen ſchon die Welt beſeſſen war. Beſcheiden ziehen ſie auch ihr beſchieden Loß, Und ſei es klein, ſo mach' es Lieb' und Treue groß. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0184" n="174"/> <div n="2"> <head>79.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Dem Menſchen iſt ein Recht gegeben auf die Sachen,</l><lb/> <l>Von Gott hat ers zu Lehn, wer kanns ihm ſtreitig machen?</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Wenn von den Menſchen waͤr' ein einziger am Leben,</l><lb/> <l>Die ganze Erde waͤr' in ſeine Hand gegeben.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>So wie im Anbeginn, wir glauben's, einer war,</l><lb/> <l>In dem ſich ungetheilt die Menſchheit ſtellte dar.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Doch als zum Manne nun das Weib hinzugekommen,</l><lb/> <l>Ward dieſem wohl ein Theil, der jenem ward genommen?</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Mitnichten; weil das Paar in Zweiheit Eines war,</l><lb/> <l>War zur Entzweiung im Beſitz auch nicht Gefahr.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Und alſo, wo noch zwei in Liebe werden Eines,</l><lb/> <l>Iſt ihr Beſitzrecht an die Welt ein allgemeines.</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>Denn ganz in jedem Paar ſtellt ſich die Menſchheit dar,</l><lb/> <l>Von allwievielen ſchon die Welt beſeſſen war.</l> </lg><lb/> <lg n="8"> <l>Beſcheiden ziehen ſie auch ihr beſchieden Loß,</l><lb/> <l>Und ſei es klein, ſo mach' es Lieb' und Treue groß.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [174/0184]
79.
Dem Menſchen iſt ein Recht gegeben auf die Sachen,
Von Gott hat ers zu Lehn, wer kanns ihm ſtreitig machen?
Wenn von den Menſchen waͤr' ein einziger am Leben,
Die ganze Erde waͤr' in ſeine Hand gegeben.
So wie im Anbeginn, wir glauben's, einer war,
In dem ſich ungetheilt die Menſchheit ſtellte dar.
Doch als zum Manne nun das Weib hinzugekommen,
Ward dieſem wohl ein Theil, der jenem ward genommen?
Mitnichten; weil das Paar in Zweiheit Eines war,
War zur Entzweiung im Beſitz auch nicht Gefahr.
Und alſo, wo noch zwei in Liebe werden Eines,
Iſt ihr Beſitzrecht an die Welt ein allgemeines.
Denn ganz in jedem Paar ſtellt ſich die Menſchheit dar,
Von allwievielen ſchon die Welt beſeſſen war.
Beſcheiden ziehen ſie auch ihr beſchieden Loß,
Und ſei es klein, ſo mach' es Lieb' und Treue groß.
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