Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 3. Leipzig, 1837.71. Sein eigen nennt der Mensch ein Gut uneigentlich; Daß Gutes ist von Gott, gesteht er schweigentlich. Du sollst, was deiner Art, was deinem Sinn kann eignen, Wo dir's auf deiner Fahrt begegnet, dir aneignen. Der Eigner dieser Welt das ist ein Geist, der eignet Sich dauernd alles zu, was flüchtig sich ereignet. Das Eigenthum ist nur ein äußerlich Geleit, Dein rechtes Eigenthum ist Eigenthümlichkeit. Auf diese Eigenblum' halt ohne Eigenruhm, Und laß dir rauben nie dein eigenst Eigenthum. Gleichfern von Eigensucht alswie von Eigenflucht, In Eigenzucht gedeiht des Herzens Eigenfrucht. Dis sei mein eigner Sinn, zu seyn ohn' Eigensinn; Mein eigen bin ich nur, wenn ich dein eigen bin. Ich bin in Lust und Schmerz liebeigen und leibeigen Dir, welchem stets mein Herz blieb eigen und bleib' eigen! 71. Sein eigen nennt der Menſch ein Gut uneigentlich; Daß Gutes iſt von Gott, geſteht er ſchweigentlich. Du ſollſt, was deiner Art, was deinem Sinn kann eignen, Wo dir's auf deiner Fahrt begegnet, dir aneignen. Der Eigner dieſer Welt das iſt ein Geiſt, der eignet Sich dauernd alles zu, was fluͤchtig ſich ereignet. Das Eigenthum iſt nur ein aͤußerlich Geleit, Dein rechtes Eigenthum iſt Eigenthuͤmlichkeit. Auf dieſe Eigenblum' halt ohne Eigenruhm, Und laß dir rauben nie dein eigenſt Eigenthum. Gleichfern von Eigenſucht alswie von Eigenflucht, In Eigenzucht gedeiht des Herzens Eigenfrucht. Dis ſei mein eigner Sinn, zu ſeyn ohn' Eigenſinn; Mein eigen bin ich nur, wenn ich dein eigen bin. Ich bin in Luſt und Schmerz liebeigen und leibeigen Dir, welchem ſtets mein Herz blieb eigen und bleib' eigen! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0174" n="164"/> <div n="2"> <head>71.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Sein eigen nennt der Menſch ein Gut uneigentlich;</l><lb/> <l>Daß Gutes iſt von Gott, geſteht er ſchweigentlich.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Du ſollſt, was deiner Art, was deinem Sinn kann eignen,</l><lb/> <l>Wo dir's auf deiner Fahrt begegnet, dir aneignen.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Der Eigner dieſer Welt das iſt ein Geiſt, der eignet</l><lb/> <l>Sich dauernd alles zu, was fluͤchtig ſich ereignet.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Das Eigenthum iſt nur ein aͤußerlich Geleit,</l><lb/> <l>Dein rechtes Eigenthum iſt Eigenthuͤmlichkeit.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Auf dieſe Eigenblum' halt ohne Eigenruhm,</l><lb/> <l>Und laß dir rauben nie dein eigenſt Eigenthum.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Gleichfern von Eigenſucht alswie von Eigenflucht,</l><lb/> <l>In Eigenzucht gedeiht des Herzens Eigenfrucht.</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>Dis ſei mein eigner Sinn, zu ſeyn ohn' Eigenſinn;</l><lb/> <l>Mein eigen bin ich nur, wenn ich dein eigen bin.</l> </lg><lb/> <lg n="8"> <l>Ich bin in Luſt und Schmerz liebeigen und leibeigen</l><lb/> <l>Dir, welchem ſtets mein Herz blieb eigen und bleib' eigen!</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [164/0174]
71.
Sein eigen nennt der Menſch ein Gut uneigentlich;
Daß Gutes iſt von Gott, geſteht er ſchweigentlich.
Du ſollſt, was deiner Art, was deinem Sinn kann eignen,
Wo dir's auf deiner Fahrt begegnet, dir aneignen.
Der Eigner dieſer Welt das iſt ein Geiſt, der eignet
Sich dauernd alles zu, was fluͤchtig ſich ereignet.
Das Eigenthum iſt nur ein aͤußerlich Geleit,
Dein rechtes Eigenthum iſt Eigenthuͤmlichkeit.
Auf dieſe Eigenblum' halt ohne Eigenruhm,
Und laß dir rauben nie dein eigenſt Eigenthum.
Gleichfern von Eigenſucht alswie von Eigenflucht,
In Eigenzucht gedeiht des Herzens Eigenfrucht.
Dis ſei mein eigner Sinn, zu ſeyn ohn' Eigenſinn;
Mein eigen bin ich nur, wenn ich dein eigen bin.
Ich bin in Luſt und Schmerz liebeigen und leibeigen
Dir, welchem ſtets mein Herz blieb eigen und bleib' eigen!
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Zitationshilfe: | Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 3. Leipzig, 1837, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane03_1837/174>, abgerufen am 05.07.2024. |