Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 2. Leipzig, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite
240.
Noch jede Zeit hat umgeformt nach ihrem Brauch
Die Weisheit alter Zeit, und so thun wir es auch.
Wir nehmen sie nur an, wie wir sie brauchen können,
Und fügen muß sie sich, wo wir den Platz ihr gönnen.
Nimmt sie sich minder aus im Haus, als einst im Zelte,
Doch ist es besser, daß sie so, als gar nicht, gelte.

241.
Gar manche glauben, sprach ein Weiser wohlbeflissen,
Nicht minder ihrem Wahn, als andre ihrem Wissen.
Das eben ist der Wahn, der was zu wissen meint,
Da wahres Wissen sich unwissend immer scheint.
Drum wächst das Wissen, das nie gnug zu wissen glaubt,
Des Fortschritts aber hat der Wahn sich selbst beraubt.

240.
Noch jede Zeit hat umgeformt nach ihrem Brauch
Die Weisheit alter Zeit, und ſo thun wir es auch.
Wir nehmen ſie nur an, wie wir ſie brauchen koͤnnen,
Und fuͤgen muß ſie ſich, wo wir den Platz ihr goͤnnen.
Nimmt ſie ſich minder aus im Haus, als einſt im Zelte,
Doch iſt es beſſer, daß ſie ſo, als gar nicht, gelte.

241.
Gar manche glauben, ſprach ein Weiſer wohlbefliſſen,
Nicht minder ihrem Wahn, als andre ihrem Wiſſen.
Das eben iſt der Wahn, der was zu wiſſen meint,
Da wahres Wiſſen ſich unwiſſend immer ſcheint.
Drum waͤchſt das Wiſſen, das nie gnug zu wiſſen glaubt,
Des Fortſchritts aber hat der Wahn ſich ſelbſt beraubt.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0153" n="143"/>
        <div n="2">
          <head>240.</head><lb/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>Noch jede Zeit hat umgeformt nach ihrem Brauch</l><lb/>
              <l>Die Weisheit alter Zeit, und &#x017F;o thun wir es auch.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Wir nehmen &#x017F;ie nur an, wie wir &#x017F;ie brauchen ko&#x0364;nnen,</l><lb/>
              <l>Und fu&#x0364;gen muß &#x017F;ie &#x017F;ich, wo wir den Platz ihr go&#x0364;nnen.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Nimmt &#x017F;ie &#x017F;ich minder aus im Haus, als ein&#x017F;t im Zelte,</l><lb/>
              <l>Doch i&#x017F;t es be&#x017F;&#x017F;er, daß &#x017F;ie &#x017F;o, als gar nicht, gelte.</l>
            </lg><lb/>
          </lg>
        </div>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head>241.</head><lb/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>Gar manche glauben, &#x017F;prach ein Wei&#x017F;er wohlbefli&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
              <l>Nicht minder ihrem Wahn, als andre ihrem Wi&#x017F;&#x017F;en.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Das eben i&#x017F;t der Wahn, der was zu wi&#x017F;&#x017F;en meint,</l><lb/>
              <l>Da wahres Wi&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich unwi&#x017F;&#x017F;end immer &#x017F;cheint.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Drum wa&#x0364;ch&#x017F;t das Wi&#x017F;&#x017F;en, das nie gnug zu wi&#x017F;&#x017F;en glaubt,</l><lb/>
              <l>Des Fort&#x017F;chritts aber hat der Wahn &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t beraubt.</l>
            </lg><lb/>
          </lg>
        </div>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[143/0153] 240. Noch jede Zeit hat umgeformt nach ihrem Brauch Die Weisheit alter Zeit, und ſo thun wir es auch. Wir nehmen ſie nur an, wie wir ſie brauchen koͤnnen, Und fuͤgen muß ſie ſich, wo wir den Platz ihr goͤnnen. Nimmt ſie ſich minder aus im Haus, als einſt im Zelte, Doch iſt es beſſer, daß ſie ſo, als gar nicht, gelte. 241. Gar manche glauben, ſprach ein Weiſer wohlbefliſſen, Nicht minder ihrem Wahn, als andre ihrem Wiſſen. Das eben iſt der Wahn, der was zu wiſſen meint, Da wahres Wiſſen ſich unwiſſend immer ſcheint. Drum waͤchſt das Wiſſen, das nie gnug zu wiſſen glaubt, Des Fortſchritts aber hat der Wahn ſich ſelbſt beraubt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane02_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane02_1837/153
Zitationshilfe: Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 2. Leipzig, 1837, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane02_1837/153>, abgerufen am 23.11.2024.