Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 2. Leipzig, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite
Zum Himmel heben will der eine sich durch Ruhm,
Der andere durch Macht und höchstes Herscherthum;
Ein dritter durch Genuß der Güter dieser Erde,
Ein vierter durch die Flucht vor Mühsal und Beschwerde;
Ein andrer wiederum durch Duldmuth und Ertragung,
Und endlich einer durch Gebet und Weltentsagung.
Der Weise sieht die buntgetheilten Lebenskreise,
Und freut sich, daß soviel mit ihm auf gleicher Reise
Verschiedne Wege gehn, er läßt sie gehn auf ihren,
Und sorget im Gedräng nicht seinen zu verlieren.

224.
"Du, der du einst geklagt, dich fühlend unbefriedigt,
Nun klagest du nicht mehr, und bist du nun befriedigt?"
Befriedigt bin ich nicht, doch geb' ich mich zufrieden,
Daß nicht Befriedigung zu finden sei hienieden.

Zum Himmel heben will der eine ſich durch Ruhm,
Der andere durch Macht und hoͤchſtes Herſcherthum;
Ein dritter durch Genuß der Guͤter dieſer Erde,
Ein vierter durch die Flucht vor Muͤhſal und Beſchwerde;
Ein andrer wiederum durch Duldmuth und Ertragung,
Und endlich einer durch Gebet und Weltentſagung.
Der Weiſe ſieht die buntgetheilten Lebenskreiſe,
Und freut ſich, daß ſoviel mit ihm auf gleicher Reiſe
Verſchiedne Wege gehn, er laͤßt ſie gehn auf ihren,
Und ſorget im Gedraͤng nicht ſeinen zu verlieren.

224.
„Du, der du einſt geklagt, dich fuͤhlend unbefriedigt,
Nun klageſt du nicht mehr, und biſt du nun befriedigt?“
Befriedigt bin ich nicht, doch geb' ich mich zufrieden,
Daß nicht Befriedigung zu finden ſei hienieden.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <l>
              <pb facs="#f0142" n="132"/>
            </l>
            <lg n="3">
              <l>Zum Himmel heben will der eine &#x017F;ich durch Ruhm,</l><lb/>
              <l>Der andere durch Macht und ho&#x0364;ch&#x017F;tes Her&#x017F;cherthum;</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="4">
              <l>Ein dritter durch Genuß der Gu&#x0364;ter die&#x017F;er Erde,</l><lb/>
              <l>Ein vierter durch die Flucht vor Mu&#x0364;h&#x017F;al und Be&#x017F;chwerde;</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="5">
              <l>Ein andrer wiederum durch Duldmuth und Ertragung,</l><lb/>
              <l>Und endlich einer durch Gebet und Weltent&#x017F;agung.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="6">
              <l>Der Wei&#x017F;e &#x017F;ieht die buntgetheilten Lebenskrei&#x017F;e,</l><lb/>
              <l>Und freut &#x017F;ich, daß &#x017F;oviel mit ihm auf gleicher Rei&#x017F;e</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="7">
              <l>Ver&#x017F;chiedne Wege gehn, er la&#x0364;ßt &#x017F;ie gehn auf ihren,</l><lb/>
              <l>Und &#x017F;orget im Gedra&#x0364;ng nicht &#x017F;einen zu verlieren.</l>
            </lg><lb/>
          </lg>
        </div>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head>224.</head><lb/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>&#x201E;Du, der du ein&#x017F;t geklagt, dich fu&#x0364;hlend unbefriedigt,</l><lb/>
              <l>Nun klage&#x017F;t du nicht mehr, und bi&#x017F;t du nun befriedigt?&#x201C;</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Befriedigt bin ich nicht, doch geb' ich mich zufrieden,</l><lb/>
              <l>Daß nicht Befriedigung zu finden &#x017F;ei hienieden.</l>
            </lg><lb/>
          </lg>
        </div>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[132/0142] Zum Himmel heben will der eine ſich durch Ruhm, Der andere durch Macht und hoͤchſtes Herſcherthum; Ein dritter durch Genuß der Guͤter dieſer Erde, Ein vierter durch die Flucht vor Muͤhſal und Beſchwerde; Ein andrer wiederum durch Duldmuth und Ertragung, Und endlich einer durch Gebet und Weltentſagung. Der Weiſe ſieht die buntgetheilten Lebenskreiſe, Und freut ſich, daß ſoviel mit ihm auf gleicher Reiſe Verſchiedne Wege gehn, er laͤßt ſie gehn auf ihren, Und ſorget im Gedraͤng nicht ſeinen zu verlieren. 224. „Du, der du einſt geklagt, dich fuͤhlend unbefriedigt, Nun klageſt du nicht mehr, und biſt du nun befriedigt?“ Befriedigt bin ich nicht, doch geb' ich mich zufrieden, Daß nicht Befriedigung zu finden ſei hienieden.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane02_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane02_1837/142
Zitationshilfe: Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 2. Leipzig, 1837, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane02_1837/142>, abgerufen am 18.12.2024.