Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 1. Leipzig, 1836.So mischet Blütenstaub die Bien' und Honigseim, Und baut die Zelle, wie der Dichter seinen Reim. Sieh, was das Trockne sei, und was das Feuchte, schau! Das Wissen ist der Staub, und das Gemüth der Thau. 66. Die Ros' und Lilie, die im Gedichte blüht, Ist die nicht die zu blühn auf unsrer Flur sich müht. Auf unsrer Flur sich müht, und halb nur blüht vor Scham Die Lilie, und halb die Rose nur vor Gram. Auf unsrer Flur sich müht, und halb nur blüht vor Weh Die ird'sche Herrlichkeit, die Ros' und Lilie. Die Ros' und Lilie, die halb nur blüht vor Weh, Ist Blut mit Flut gemischt, gemengt mit Feuer Schnee. Die Ros' und Lilie, die im Gedichte blüht, Ist reiner Glanz aus Gott und Duft aus dem Gemüth. So miſchet Bluͤtenſtaub die Bien' und Honigſeim, Und baut die Zelle, wie der Dichter ſeinen Reim. Sieh, was das Trockne ſei, und was das Feuchte, ſchau! Das Wiſſen iſt der Staub, und das Gemuͤth der Thau. 66. Die Roſ' und Lilie, die im Gedichte bluͤht, Iſt die nicht die zu bluͤhn auf unſrer Flur ſich muͤht. Auf unſrer Flur ſich muͤht, und halb nur bluͤht vor Scham Die Lilie, und halb die Roſe nur vor Gram. Auf unſrer Flur ſich muͤht, und halb nur bluͤht vor Weh Die ird'ſche Herrlichkeit, die Roſ' und Lilie. Die Roſ' und Lilie, die halb nur bluͤht vor Weh, Iſt Blut mit Flut gemiſcht, gemengt mit Feuer Schnee. Die Roſ' und Lilie, die im Gedichte bluͤht, Iſt reiner Glanz aus Gott und Duft aus dem Gemuͤth. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0065" n="55"/> <lg n="9"> <l>So miſchet Bluͤtenſtaub die Bien' und Honigſeim,</l><lb/> <l>Und baut die Zelle, wie der Dichter ſeinen Reim.</l> </lg><lb/> <lg n="10"> <l>Sieh, was das Trockne ſei, und was das Feuchte, ſchau!</l><lb/> <l>Das Wiſſen iſt der Staub, und das Gemuͤth der Thau.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head>66.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Die Roſ' und Lilie, die im Gedichte bluͤht,</l><lb/> <l>Iſt die nicht die zu bluͤhn auf unſrer Flur ſich muͤht.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Auf unſrer Flur ſich muͤht, und halb nur bluͤht vor Scham</l><lb/> <l>Die Lilie, und halb die Roſe nur vor Gram.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Auf unſrer Flur ſich muͤht, und halb nur bluͤht vor Weh</l><lb/> <l>Die ird'ſche Herrlichkeit, die Roſ' und Lilie.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Die Roſ' und Lilie, die halb nur bluͤht vor Weh,</l><lb/> <l>Iſt Blut mit Flut gemiſcht, gemengt mit Feuer Schnee.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Die Roſ' und Lilie, die im Gedichte bluͤht,</l><lb/> <l>Iſt reiner Glanz aus Gott und Duft aus dem Gemuͤth.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [55/0065]
So miſchet Bluͤtenſtaub die Bien' und Honigſeim,
Und baut die Zelle, wie der Dichter ſeinen Reim.
Sieh, was das Trockne ſei, und was das Feuchte, ſchau!
Das Wiſſen iſt der Staub, und das Gemuͤth der Thau.
66.
Die Roſ' und Lilie, die im Gedichte bluͤht,
Iſt die nicht die zu bluͤhn auf unſrer Flur ſich muͤht.
Auf unſrer Flur ſich muͤht, und halb nur bluͤht vor Scham
Die Lilie, und halb die Roſe nur vor Gram.
Auf unſrer Flur ſich muͤht, und halb nur bluͤht vor Weh
Die ird'ſche Herrlichkeit, die Roſ' und Lilie.
Die Roſ' und Lilie, die halb nur bluͤht vor Weh,
Iſt Blut mit Flut gemiſcht, gemengt mit Feuer Schnee.
Die Roſ' und Lilie, die im Gedichte bluͤht,
Iſt reiner Glanz aus Gott und Duft aus dem Gemuͤth.
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