Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 1. Leipzig, 1836.35. Des Herzens Pförtner ist des Mannes Angesicht, Der den und den Empfang beim Herren dir verspricht. Ein freundliches Gesicht wird Hoffnung dir erwecken, Und ein unfreundliches zurück die Hoffnung schrecken. Doch oft, wann du zum Herrn gelangt, hast du entdeckt, Daß Hoffnung oder Furcht der Pförtner falsch erweckt. Ein herzensholder Herr hat oft unholde Mienen Zu Dienern, während auch unholdem holde dienen. Drum laß ein Lächeln dir nicht zuviel Hoffnung wecken, Und auch ein Schmollen laß nicht gleich zurück dich schrecken. Ihr aber, Herzensherrn, sagt euern Dienern fein, Daß sie nicht euerm Sinn umhüllen falschen Schein. Warum soll Freundlichkeit vergebens Hoffnung wecken, Und gar Unfreundlichkeit zurück die arme schrecken? Die müden Hoffnungen, die oft so irre gehn, O könnten sie das Ziel gleich recht am Eingang sehn! 35. Des Herzens Pfoͤrtner iſt des Mannes Angeſicht, Der den und den Empfang beim Herren dir verſpricht. Ein freundliches Geſicht wird Hoffnung dir erwecken, Und ein unfreundliches zuruͤck die Hoffnung ſchrecken. Doch oft, wann du zum Herrn gelangt, haſt du entdeckt, Daß Hoffnung oder Furcht der Pfoͤrtner falſch erweckt. Ein herzensholder Herr hat oft unholde Mienen Zu Dienern, waͤhrend auch unholdem holde dienen. Drum laß ein Laͤcheln dir nicht zuviel Hoffnung wecken, Und auch ein Schmollen laß nicht gleich zuruͤck dich ſchrecken. Ihr aber, Herzensherrn, ſagt euern Dienern fein, Daß ſie nicht euerm Sinn umhuͤllen falſchen Schein. Warum ſoll Freundlichkeit vergebens Hoffnung wecken, Und gar Unfreundlichkeit zuruͤck die arme ſchrecken? Die muͤden Hoffnungen, die oft ſo irre gehn, O koͤnnten ſie das Ziel gleich recht am Eingang ſehn! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0042" n="32"/> <div n="2"> <head>35.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Des Herzens Pfoͤrtner iſt des Mannes Angeſicht,</l><lb/> <l>Der den und den Empfang beim Herren dir verſpricht.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Ein freundliches Geſicht wird Hoffnung dir erwecken,</l><lb/> <l>Und ein unfreundliches zuruͤck die Hoffnung ſchrecken.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Doch oft, wann du zum Herrn gelangt, haſt du entdeckt,</l><lb/> <l>Daß Hoffnung oder Furcht der Pfoͤrtner falſch erweckt.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Ein herzensholder Herr hat oft unholde Mienen</l><lb/> <l>Zu Dienern, waͤhrend auch unholdem holde dienen.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Drum laß ein Laͤcheln dir nicht zuviel Hoffnung wecken,</l><lb/> <l>Und auch ein Schmollen laß nicht gleich zuruͤck dich ſchrecken.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Ihr aber, Herzensherrn, ſagt euern Dienern fein,</l><lb/> <l>Daß ſie nicht euerm Sinn umhuͤllen falſchen Schein.</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>Warum ſoll Freundlichkeit vergebens Hoffnung wecken,</l><lb/> <l>Und gar Unfreundlichkeit zuruͤck die arme ſchrecken?</l> </lg><lb/> <lg n="8"> <l>Die muͤden Hoffnungen, die oft ſo irre gehn,</l><lb/> <l>O koͤnnten ſie das Ziel gleich recht am Eingang ſehn!</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [32/0042]
35.
Des Herzens Pfoͤrtner iſt des Mannes Angeſicht,
Der den und den Empfang beim Herren dir verſpricht.
Ein freundliches Geſicht wird Hoffnung dir erwecken,
Und ein unfreundliches zuruͤck die Hoffnung ſchrecken.
Doch oft, wann du zum Herrn gelangt, haſt du entdeckt,
Daß Hoffnung oder Furcht der Pfoͤrtner falſch erweckt.
Ein herzensholder Herr hat oft unholde Mienen
Zu Dienern, waͤhrend auch unholdem holde dienen.
Drum laß ein Laͤcheln dir nicht zuviel Hoffnung wecken,
Und auch ein Schmollen laß nicht gleich zuruͤck dich ſchrecken.
Ihr aber, Herzensherrn, ſagt euern Dienern fein,
Daß ſie nicht euerm Sinn umhuͤllen falſchen Schein.
Warum ſoll Freundlichkeit vergebens Hoffnung wecken,
Und gar Unfreundlichkeit zuruͤck die arme ſchrecken?
Die muͤden Hoffnungen, die oft ſo irre gehn,
O koͤnnten ſie das Ziel gleich recht am Eingang ſehn!
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Zitationshilfe: | Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane01_1836/42>, abgerufen am 05.07.2024. |