Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 1. Leipzig, 1836.Er aber sprach: Das Herz hat zwei verschiedne Stände; O glücklich, wenn es stets in einem sich befände. Am Tage gestern war mein Herz im bessern Stand, Es stand in Gottes, nun steht es in meiner Hand. 34. Den Meister sah ich Nachts, von einer Kerze Schimmer Hell angeleuchtet, gehn gedankentief durchs Zimmer. Den Boden schien er mit der Sohle nicht zu rühren, Gespräche leise, die ich nicht vernahm, zu führen. Aufschlug er dann den Blick, und als er stehn mich sah, Sprach er: Bist du da? und ich sagte: Meister, ja. "Wie lange?" Lange schon. Dann sprach er weiter nichts: Ich aber bat: O gib mir einen Stral des Lichts! Er sprach: Ich war bei Gott, er hat mich eingeladen: Zu wählen eine mir von seinen Wundergnaden; Er aber ſprach: Das Herz hat zwei verſchiedne Staͤnde; O gluͤcklich, wenn es ſtets in einem ſich befaͤnde. Am Tage geſtern war mein Herz im beſſern Stand, Es ſtand in Gottes, nun ſteht es in meiner Hand. 34. Den Meiſter ſah ich Nachts, von einer Kerze Schimmer Hell angeleuchtet, gehn gedankentief durchs Zimmer. Den Boden ſchien er mit der Sohle nicht zu ruͤhren, Geſpraͤche leiſe, die ich nicht vernahm, zu fuͤhren. Aufſchlug er dann den Blick, und als er ſtehn mich ſah, Sprach er: Biſt du da? und ich ſagte: Meiſter, ja. „Wie lange?“ Lange ſchon. Dann ſprach er weiter nichts: Ich aber bat: O gib mir einen Stral des Lichts! Er ſprach: Ich war bei Gott, er hat mich eingeladen: Zu waͤhlen eine mir von ſeinen Wundergnaden; <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0248" n="238"/> <lg n="8"> <l>Er aber ſprach: Das Herz hat zwei verſchiedne Staͤnde;</l><lb/> <l>O gluͤcklich, wenn es ſtets in einem ſich befaͤnde.</l> </lg><lb/> <lg n="9"> <l>Am Tage geſtern war mein Herz im beſſern Stand,</l><lb/> <l>Es ſtand in Gottes, nun ſteht es in meiner Hand.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head>34.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Den Meiſter ſah ich Nachts, von einer Kerze Schimmer</l><lb/> <l>Hell angeleuchtet, gehn gedankentief durchs Zimmer.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Den Boden ſchien er mit der Sohle nicht zu ruͤhren,</l><lb/> <l>Geſpraͤche leiſe, die ich nicht vernahm, zu fuͤhren.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Aufſchlug er dann den Blick, und als er ſtehn mich ſah,</l><lb/> <l>Sprach er: Biſt du da? und ich ſagte: Meiſter, ja.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>„Wie lange?“ Lange ſchon. Dann ſprach er weiter nichts:</l><lb/> <l>Ich aber bat: O gib mir einen Stral des Lichts!</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Er ſprach: Ich war bei Gott, er hat mich eingeladen:</l><lb/> <l>Zu waͤhlen eine mir von ſeinen Wundergnaden;</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [238/0248]
Er aber ſprach: Das Herz hat zwei verſchiedne Staͤnde;
O gluͤcklich, wenn es ſtets in einem ſich befaͤnde.
Am Tage geſtern war mein Herz im beſſern Stand,
Es ſtand in Gottes, nun ſteht es in meiner Hand.
34.
Den Meiſter ſah ich Nachts, von einer Kerze Schimmer
Hell angeleuchtet, gehn gedankentief durchs Zimmer.
Den Boden ſchien er mit der Sohle nicht zu ruͤhren,
Geſpraͤche leiſe, die ich nicht vernahm, zu fuͤhren.
Aufſchlug er dann den Blick, und als er ſtehn mich ſah,
Sprach er: Biſt du da? und ich ſagte: Meiſter, ja.
„Wie lange?“ Lange ſchon. Dann ſprach er weiter nichts:
Ich aber bat: O gib mir einen Stral des Lichts!
Er ſprach: Ich war bei Gott, er hat mich eingeladen:
Zu waͤhlen eine mir von ſeinen Wundergnaden;
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Zitationshilfe: | Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane01_1836/248>, abgerufen am 05.07.2024. |