Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 1. Leipzig, 1836.1. Wo schroff ein Vorgebirg ins Meer die Stirne schiebt, Und am gehölten Fuß in Schaum die Brandung stiebt, Hat seine Siedelei ein frommer Mann gebaut, Wo seinen Horst zu baun der Adler nicht getraut. Vom kahlen Baume, den der Fels mit Zittern trägt, Sieht er dem Abgrund zu, der Todeswogen schlägt. So oft er auf der Flut gewahrt ein schwankes Bret Mit Menschenleben, hebt die Händ' er zum Gebet. Und ehr nicht im Gebet läßt er die Hände sinken, Bis fern das Schiff entflohn den Zacken und den Zinken. Selbst hat er einst erprobt, das nun um andre tobt, Das Meer des Sturms, da hat er dis Gelübd gelobt. Nicht schirmen kann er euch, noch warnen vor den Riffen, Doch beten, daß sie Gott euch gnädig lass' umschiffen. 1. Wo ſchroff ein Vorgebirg ins Meer die Stirne ſchiebt, Und am gehoͤlten Fuß in Schaum die Brandung ſtiebt, Hat ſeine Siedelei ein frommer Mann gebaut, Wo ſeinen Horſt zu baun der Adler nicht getraut. Vom kahlen Baume, den der Fels mit Zittern traͤgt, Sieht er dem Abgrund zu, der Todeswogen ſchlaͤgt. So oft er auf der Flut gewahrt ein ſchwankes Bret Mit Menſchenleben, hebt die Haͤnd' er zum Gebet. Und ehr nicht im Gebet laͤßt er die Haͤnde ſinken, Bis fern das Schiff entflohn den Zacken und den Zinken. Selbſt hat er einſt erprobt, das nun um andre tobt, Das Meer des Sturms, da hat er dis Geluͤbd gelobt. Nicht ſchirmen kann er euch, noch warnen vor den Riffen, Doch beten, daß ſie Gott euch gnaͤdig laſſ' umſchiffen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0211" n="[201]"/> <div n="2"> <head>1.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l><hi rendition="#in">W</hi>o ſchroff ein Vorgebirg ins Meer die Stirne ſchiebt,</l><lb/> <l>Und am gehoͤlten Fuß in Schaum die Brandung ſtiebt,</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Hat ſeine Siedelei ein frommer Mann gebaut,</l><lb/> <l>Wo ſeinen Horſt zu baun der Adler nicht getraut.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Vom kahlen Baume, den der Fels mit Zittern traͤgt,</l><lb/> <l>Sieht er dem Abgrund zu, der Todeswogen ſchlaͤgt.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>So oft er auf der Flut gewahrt ein ſchwankes Bret</l><lb/> <l>Mit Menſchenleben, hebt die Haͤnd' er zum Gebet.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Und ehr nicht im Gebet laͤßt er die Haͤnde ſinken,</l><lb/> <l>Bis fern das Schiff entflohn den Zacken und den Zinken.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Selbſt hat er einſt erprobt, das nun um andre tobt,</l><lb/> <l>Das Meer des Sturms, da hat er dis Geluͤbd gelobt.</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>Nicht ſchirmen kann er euch, noch warnen vor den Riffen,</l><lb/> <l>Doch beten, daß ſie Gott euch gnaͤdig laſſ' umſchiffen.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [[201]/0211]
1.
Wo ſchroff ein Vorgebirg ins Meer die Stirne ſchiebt,
Und am gehoͤlten Fuß in Schaum die Brandung ſtiebt,
Hat ſeine Siedelei ein frommer Mann gebaut,
Wo ſeinen Horſt zu baun der Adler nicht getraut.
Vom kahlen Baume, den der Fels mit Zittern traͤgt,
Sieht er dem Abgrund zu, der Todeswogen ſchlaͤgt.
So oft er auf der Flut gewahrt ein ſchwankes Bret
Mit Menſchenleben, hebt die Haͤnd' er zum Gebet.
Und ehr nicht im Gebet laͤßt er die Haͤnde ſinken,
Bis fern das Schiff entflohn den Zacken und den Zinken.
Selbſt hat er einſt erprobt, das nun um andre tobt,
Das Meer des Sturms, da hat er dis Geluͤbd gelobt.
Nicht ſchirmen kann er euch, noch warnen vor den Riffen,
Doch beten, daß ſie Gott euch gnaͤdig laſſ' umſchiffen.
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