Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 1. Leipzig, 1836.70. Gar manches, was gewis du nennst, ist ungewis; Die Sprache selber, die du redest, sagt mir dis. Wenn ich will wissen: wer? und du's nicht sagen willst; Was ist das Wort, womit du meine Neugier stillst? Dis: Ein gewisser ist's. Weiß ich es nun gewisser? Nein! Dein Gewisser ist für mich ein Ungewisser. Du gibst dir nur den Schein, indem du Ungewisses Mir kund thust, daß du kund auch könntest thun Gewisses. 71. Aus Eigennutz entspringt die Dankbarkeit der Meisten, Für einen Dienst, den wir geleistet oder leisten. Doch ist die Dankbarkeit auch so der schönste Lohn, Den selbst man soll mit Dank annehmen, nicht mit Hohn. Sei dankbar, daß den Dank der Eigennutz dir bringt, Daß aus so schlechtem Grund so edler Trieb entspringt. 70. Gar manches, was gewis du nennſt, iſt ungewis; Die Sprache ſelber, die du redeſt, ſagt mir dis. Wenn ich will wiſſen: wer? und du's nicht ſagen willſt; Was iſt das Wort, womit du meine Neugier ſtillſt? Dis: Ein gewiſſer iſt's. Weiß ich es nun gewiſſer? Nein! Dein Gewiſſer iſt fuͤr mich ein Ungewiſſer. Du gibſt dir nur den Schein, indem du Ungewiſſes Mir kund thuſt, daß du kund auch koͤnnteſt thun Gewiſſes. 71. Aus Eigennutz entſpringt die Dankbarkeit der Meiſten, Fuͤr einen Dienſt, den wir geleiſtet oder leiſten. Doch iſt die Dankbarkeit auch ſo der ſchoͤnſte Lohn, Den ſelbſt man ſoll mit Dank annehmen, nicht mit Hohn. Sei dankbar, daß den Dank der Eigennutz dir bringt, Daß aus ſo ſchlechtem Grund ſo edler Trieb entſpringt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0194" n="184"/> <div n="2"> <head>70.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Gar manches, was gewis du nennſt, iſt ungewis;</l><lb/> <l>Die Sprache ſelber, die du redeſt, ſagt mir dis.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Wenn ich will wiſſen: wer? und du's nicht ſagen willſt;</l><lb/> <l>Was iſt das Wort, womit du meine Neugier ſtillſt?</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Dis: Ein gewiſſer iſt's. Weiß ich es nun gewiſſer?</l><lb/> <l>Nein! Dein Gewiſſer iſt fuͤr mich ein Ungewiſſer.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Du gibſt dir nur den Schein, indem du Ungewiſſes</l><lb/> <l>Mir kund thuſt, daß du kund auch koͤnnteſt thun Gewiſſes.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head>71.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Aus Eigennutz entſpringt die Dankbarkeit der Meiſten,</l><lb/> <l>Fuͤr einen Dienſt, den wir geleiſtet oder leiſten.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Doch iſt die Dankbarkeit auch ſo der ſchoͤnſte Lohn,</l><lb/> <l>Den ſelbſt man ſoll mit Dank annehmen, nicht mit Hohn.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Sei dankbar, daß den Dank der Eigennutz dir bringt,</l><lb/> <l>Daß aus ſo ſchlechtem Grund ſo edler Trieb entſpringt.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [184/0194]
70.
Gar manches, was gewis du nennſt, iſt ungewis;
Die Sprache ſelber, die du redeſt, ſagt mir dis.
Wenn ich will wiſſen: wer? und du's nicht ſagen willſt;
Was iſt das Wort, womit du meine Neugier ſtillſt?
Dis: Ein gewiſſer iſt's. Weiß ich es nun gewiſſer?
Nein! Dein Gewiſſer iſt fuͤr mich ein Ungewiſſer.
Du gibſt dir nur den Schein, indem du Ungewiſſes
Mir kund thuſt, daß du kund auch koͤnnteſt thun Gewiſſes.
71.
Aus Eigennutz entſpringt die Dankbarkeit der Meiſten,
Fuͤr einen Dienſt, den wir geleiſtet oder leiſten.
Doch iſt die Dankbarkeit auch ſo der ſchoͤnſte Lohn,
Den ſelbſt man ſoll mit Dank annehmen, nicht mit Hohn.
Sei dankbar, daß den Dank der Eigennutz dir bringt,
Daß aus ſo ſchlechtem Grund ſo edler Trieb entſpringt.
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Zitationshilfe: | Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane01_1836/194>, abgerufen am 05.07.2024. |