Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 1. Leipzig, 1836.Die Liebe für sein Land, mit welcher Hand in Hand Vielleicht noch eine gieng, die er sich nicht gestand. Zum Herzen sprach er: Weh dem Trotz, der dich bethörte, Der wie ein Fluch das Glück unschuld'ger Hütten störte! Daß so der Segen fehlt, wo Liebe nicht vermählt Dem Land des Fürsten Herz, warum blieb mirs verhehlt? Er dachte nach, da trat von neuem ein der Hirte, Und um der Herde Stand ward er befragt vom Wirthe. Er sprach: die Herde hat sich anders nun besonnen; Der Mütter Euter schwillt und füllet alle Tonnen. Wetteifernd lassen sie die Milch im Kübel schäumen; Sie haben offenbar nicht Lust das Land zu räumen. Der alte Landmann lenkt den Blick, den er gesenkt, Der sinn'gen Tochter zu, die wohl weiß was er denkt. Und lächelnd hebt sie an: Das liegt gewiß daran, Daß nun des Fürsten Herz dem Land ist zugethan. Denn wo nur zugethan der Himmel ist der Erde, Da nähret sich mit Lust aller Lebend'gen Herde. Die Liebe fuͤr ſein Land, mit welcher Hand in Hand Vielleicht noch eine gieng, die er ſich nicht geſtand. Zum Herzen ſprach er: Weh dem Trotz, der dich bethoͤrte, Der wie ein Fluch das Gluͤck unſchuld'ger Huͤtten ſtoͤrte! Daß ſo der Segen fehlt, wo Liebe nicht vermaͤhlt Dem Land des Fuͤrſten Herz, warum blieb mirs verhehlt? Er dachte nach, da trat von neuem ein der Hirte, Und um der Herde Stand ward er befragt vom Wirthe. Er ſprach: die Herde hat ſich anders nun beſonnen; Der Muͤtter Euter ſchwillt und fuͤllet alle Tonnen. Wetteifernd laſſen ſie die Milch im Kuͤbel ſchaͤumen; Sie haben offenbar nicht Luſt das Land zu raͤumen. Der alte Landmann lenkt den Blick, den er geſenkt, Der ſinn'gen Tochter zu, die wohl weiß was er denkt. Und laͤchelnd hebt ſie an: Das liegt gewiß daran, Daß nun des Fuͤrſten Herz dem Land iſt zugethan. Denn wo nur zugethan der Himmel iſt der Erde, Da naͤhret ſich mit Luſt aller Lebend'gen Herde. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0104" n="94"/> <lg n="26"> <l>Die Liebe fuͤr ſein Land, mit welcher Hand in Hand</l><lb/> <l>Vielleicht noch eine gieng, die er ſich nicht geſtand.</l> </lg><lb/> <lg n="27"> <l>Zum Herzen ſprach er: Weh dem Trotz, der dich bethoͤrte,</l><lb/> <l>Der wie ein Fluch das Gluͤck unſchuld'ger Huͤtten ſtoͤrte!</l> </lg><lb/> <lg n="28"> <l>Daß ſo der Segen fehlt, wo Liebe nicht vermaͤhlt</l><lb/> <l>Dem Land des Fuͤrſten Herz, warum blieb mirs verhehlt?</l> </lg><lb/> <lg n="29"> <l>Er dachte nach, da trat von neuem ein der Hirte,</l><lb/> <l>Und um der Herde Stand ward er befragt vom Wirthe.</l> </lg><lb/> <lg n="30"> <l>Er ſprach: die Herde hat ſich anders nun beſonnen;</l><lb/> <l>Der Muͤtter Euter ſchwillt und fuͤllet alle Tonnen.</l> </lg><lb/> <lg n="31"> <l>Wetteifernd laſſen ſie die Milch im Kuͤbel ſchaͤumen;</l><lb/> <l>Sie haben offenbar nicht Luſt das Land zu raͤumen.</l> </lg><lb/> <lg n="32"> <l>Der alte Landmann lenkt den Blick, den er geſenkt,</l><lb/> <l>Der ſinn'gen Tochter zu, die wohl weiß was er denkt.</l> </lg><lb/> <lg n="33"> <l>Und laͤchelnd hebt ſie an: Das liegt gewiß daran,</l><lb/> <l>Daß nun des Fuͤrſten Herz dem Land iſt zugethan.</l> </lg><lb/> <lg n="34"> <l>Denn wo nur zugethan der Himmel iſt der Erde,</l><lb/> <l>Da naͤhret ſich mit Luſt aller Lebend'gen Herde.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [94/0104]
Die Liebe fuͤr ſein Land, mit welcher Hand in Hand
Vielleicht noch eine gieng, die er ſich nicht geſtand.
Zum Herzen ſprach er: Weh dem Trotz, der dich bethoͤrte,
Der wie ein Fluch das Gluͤck unſchuld'ger Huͤtten ſtoͤrte!
Daß ſo der Segen fehlt, wo Liebe nicht vermaͤhlt
Dem Land des Fuͤrſten Herz, warum blieb mirs verhehlt?
Er dachte nach, da trat von neuem ein der Hirte,
Und um der Herde Stand ward er befragt vom Wirthe.
Er ſprach: die Herde hat ſich anders nun beſonnen;
Der Muͤtter Euter ſchwillt und fuͤllet alle Tonnen.
Wetteifernd laſſen ſie die Milch im Kuͤbel ſchaͤumen;
Sie haben offenbar nicht Luſt das Land zu raͤumen.
Der alte Landmann lenkt den Blick, den er geſenkt,
Der ſinn'gen Tochter zu, die wohl weiß was er denkt.
Und laͤchelnd hebt ſie an: Das liegt gewiß daran,
Daß nun des Fuͤrſten Herz dem Land iſt zugethan.
Denn wo nur zugethan der Himmel iſt der Erde,
Da naͤhret ſich mit Luſt aller Lebend'gen Herde.
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Zitationshilfe: | Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane01_1836/104>, abgerufen am 25.07.2024. |