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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807.

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wechselnder Röthe hinweg und verbarg ihr Gesicht,
damit niemand ihre Thränen sähe. Auch Betty,
die ihn nur erst seit drey Wochen kannte, hieß ihn
Bruder Woldemar, und sagte: wenn Woldemar
wieder kommt, soll er mich auch Schwester heißen
müssen. -- "Und bist du denn nicht schon meine
sanfte Schwester Betty? Lebt wohl, ihr himmli-
schen Mädchen, und liebt euren Woldemar!" --
Und ich meyne, gute Emma, daß sie seine Bitte
erfüllen. -- Der Pfarrer und seine Deborah konn-
ten gar nicht von den Reisenden lassen.

Deborah flüsterte mir leise ins Ohr: ich habe
ihnen auf immer Lebewohl gesagt; ich sehe die
beiden nicht wieder. -- O wie hat mich das Todes-
urtheil betrübt, das sie über sich selbst aussprach!
Und doch habe ich es nicht gewagt, ihr zu wider-
sprechen, und habe diese Saite seitdem gar nicht
berührt. Jhr Vorgefühl der Vollendung ist mir
zu heilig, um darüber mit ihr streiten zu wollen.
Nur ihren Mann werde ich aufmerksam machen
müssen; denn ihm zeigt sie eine immer gleiche
Heiterkeit. Jhn könnte der Schlag zu plötzlich
treffen.

wechſelnder Röthe hinweg und verbarg ihr Geſicht,
damit niemand ihre Thränen ſähe. Auch Betty,
die ihn nur erſt ſeit drey Wochen kannte, hieß ihn
Bruder Woldemar, und ſagte: wenn Woldemar
wieder kommt, ſoll er mich auch Schweſter heißen
müſſen. — „Und biſt du denn nicht ſchon meine
ſanfte Schweſter Betty? Lebt wohl, ihr himmli-
ſchen Mädchen, und liebt euren Woldemar!‟ —
Und ich meyne, gute Emma, daß ſie ſeine Bitte
erfüllen. — Der Pfarrer und ſeine Deborah konn-
ten gar nicht von den Reiſenden laſſen.

Deborah flüſterte mir leiſe ins Ohr: ich habe
ihnen auf immer Lebewohl geſagt; ich ſehe die
beiden nicht wieder. — O wie hat mich das Todes-
urtheil betrübt, das ſie über ſich ſelbſt ausſprach!
Und doch habe ich es nicht gewagt, ihr zu wider-
ſprechen, und habe dieſe Saite ſeitdem gar nicht
berührt. Jhr Vorgefühl der Vollendung iſt mir
zu heilig, um darüber mit ihr ſtreiten zu wollen.
Nur ihren Mann werde ich aufmerkſam machen
müſſen; denn ihm zeigt ſie eine immer gleiche
Heiterkeit. Jhn könnte der Schlag zu plötzlich
treffen.

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[69/0077] wechſelnder Röthe hinweg und verbarg ihr Geſicht, damit niemand ihre Thränen ſähe. Auch Betty, die ihn nur erſt ſeit drey Wochen kannte, hieß ihn Bruder Woldemar, und ſagte: wenn Woldemar wieder kommt, ſoll er mich auch Schweſter heißen müſſen. — „Und biſt du denn nicht ſchon meine ſanfte Schweſter Betty? Lebt wohl, ihr himmli- ſchen Mädchen, und liebt euren Woldemar!‟ — Und ich meyne, gute Emma, daß ſie ſeine Bitte erfüllen. — Der Pfarrer und ſeine Deborah konn- ten gar nicht von den Reiſenden laſſen. Deborah flüſterte mir leiſe ins Ohr: ich habe ihnen auf immer Lebewohl geſagt; ich ſehe die beiden nicht wieder. — O wie hat mich das Todes- urtheil betrübt, das ſie über ſich ſelbſt ausſprach! Und doch habe ich es nicht gewagt, ihr zu wider- ſprechen, und habe dieſe Saite ſeitdem gar nicht berührt. Jhr Vorgefühl der Vollendung iſt mir zu heilig, um darüber mit ihr ſtreiten zu wollen. Nur ihren Mann werde ich aufmerkſam machen müſſen; denn ihm zeigt ſie eine immer gleiche Heiterkeit. Jhn könnte der Schlag zu plötzlich treffen.

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/77>, abgerufen am 27.11.2024.