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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807.

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ein freiwilliges Geschenk ehrt, und die geliebte
Schwester darum nur desto zarter behandelt. --
O wie oft habe ich Dich, beste Emma, hier ge-
wünscht, damit Du Zeugin seyn möchtest, wie
Jda und die beiden andern abwechselnd die Kran-
ken pflegten. Eine zartere schönere Aufmerksam-
keit gibt es nicht, als Jda's; und doch wetteifer-
ten die beiden Schwestern täglich mit ihr: nur
stand es keiner so natürlich schön an, als Jda.
Sich selbst vergessend lebte sie nur in den Kranken.
Wo könnte sich auch der weibliche Charakter schö-
ner zeigen, als am Krankenbette? Hier wird ein
ächtweiblich Gemüth erkannt. Und wenn je ein
weiblicher Orden ehrwürdig war, so ist es der,
dessen eigentlicher Beruf Krankenpflege war.

Sie sollte eins der Hauptaugenmerke bei der
Bildung des weiblichen Charakters seyn, das nie
aus der acht gelassen werden dürfte. Es sollte
dazu nicht bloß die weiche Gemüthsstimmung ge-
geben, es muß auch die Kraft des Gemüths dazu
gestärkt werden, damit es den Anblick der Leiden
ertragen könne, ohne selbst zu Grunde zu gehen.

ein freiwilliges Geſchenk ehrt, und die geliebte
Schweſter darum nur deſto zarter behandelt. —
O wie oft habe ich Dich, beſte Emma, hier ge-
wünſcht, damit Du Zeugin ſeyn möchteſt, wie
Jda und die beiden andern abwechſelnd die Kran-
ken pflegten. Eine zartere ſchönere Aufmerkſam-
keit gibt es nicht, als Jda’s; und doch wetteifer-
ten die beiden Schweſtern täglich mit ihr: nur
ſtand es keiner ſo natürlich ſchön an, als Jda.
Sich ſelbſt vergeſſend lebte ſie nur in den Kranken.
Wo könnte ſich auch der weibliche Charakter ſchö-
ner zeigen, als am Krankenbette? Hier wird ein
ächtweiblich Gemüth erkannt. Und wenn je ein
weiblicher Orden ehrwürdig war, ſo iſt es der,
deſſen eigentlicher Beruf Krankenpflege war.

Sie ſollte eins der Hauptaugenmerke bei der
Bildung des weiblichen Charakters ſeyn, das nie
aus der acht gelaſſen werden dürfte. Es ſollte
dazu nicht bloß die weiche Gemüthsſtimmung ge-
geben, es muß auch die Kraft des Gemüths dazu
geſtärkt werden, damit es den Anblick der Leiden
ertragen könne, ohne ſelbſt zu Grunde zu gehen.

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[63/0071] ein freiwilliges Geſchenk ehrt, und die geliebte Schweſter darum nur deſto zarter behandelt. — O wie oft habe ich Dich, beſte Emma, hier ge- wünſcht, damit Du Zeugin ſeyn möchteſt, wie Jda und die beiden andern abwechſelnd die Kran- ken pflegten. Eine zartere ſchönere Aufmerkſam- keit gibt es nicht, als Jda’s; und doch wetteifer- ten die beiden Schweſtern täglich mit ihr: nur ſtand es keiner ſo natürlich ſchön an, als Jda. Sich ſelbſt vergeſſend lebte ſie nur in den Kranken. Wo könnte ſich auch der weibliche Charakter ſchö- ner zeigen, als am Krankenbette? Hier wird ein ächtweiblich Gemüth erkannt. Und wenn je ein weiblicher Orden ehrwürdig war, ſo iſt es der, deſſen eigentlicher Beruf Krankenpflege war. Sie ſollte eins der Hauptaugenmerke bei der Bildung des weiblichen Charakters ſeyn, das nie aus der acht gelaſſen werden dürfte. Es ſollte dazu nicht bloß die weiche Gemüthsſtimmung ge- geben, es muß auch die Kraft des Gemüths dazu geſtärkt werden, damit es den Anblick der Leiden ertragen könne, ohne ſelbſt zu Grunde zu gehen.

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/71>, abgerufen am 23.11.2024.