hängende Bild, dann zum Himmel, und ich sahe das Vaterauge in feuchtem Glanze. Er verbarg den nassen Blick, indem er mich mit dem Kinde umschloß; aber ich fühlte einen Tropfen auf mei- ner Wange -- o Clare! wie war ich so selig! es war ja eine Freudenthräne -- welche köstliche Perle für Deine Jda! -- Die Mutter konnte nichts, als mich still an's Herz drücken.
Nach einem Weilchen sagte der Vater, seinen gewöhnlichen Humor wieder findend: Mit euch allzuglücklichen Menschen ist nichts anzufangen; man kann euch nicht einmal etwas schenken, ihr habt alles genug und vollauf in eurem überfrohen Herzen. Andern jungen Weibern kann man doch auch eine Freude machen, mit ein Paar brillan- ten Ohrgehängen, mit einem schönen Perlenhals- bande, oder sonst etwas, wodurch die andern ver- dunkelt werden können; aber euch hat die böse Tante Selma so reich gemacht, daß man bei euch gar nichts der Art anbringen kann. Billig sollten die Juwelier und sämmtlichen Bijouteriehändler die Tante verklagen, denn sie müssen ja alle verar-
hängende Bild, dann zum Himmel, und ich ſahe das Vaterauge in feuchtem Glanze. Er verbarg den naſſen Blick, indem er mich mit dem Kinde umſchloß; aber ich fühlte einen Tropfen auf mei- ner Wange — o Clare! wie war ich ſo ſelig! es war ja eine Freudenthräne — welche köſtliche Perle für Deine Jda! — Die Mutter konnte nichts, als mich ſtill an’s Herz drücken.
Nach einem Weilchen ſagte der Vater, ſeinen gewöhnlichen Humor wieder findend: Mit euch allzuglücklichen Menſchen iſt nichts anzufangen; man kann euch nicht einmal etwas ſchenken, ihr habt alles genug und vollauf in eurem überfrohen Herzen. Andern jungen Weibern kann man doch auch eine Freude machen, mit ein Paar brillan- ten Ohrgehängen, mit einem ſchönen Perlenhals- bande, oder ſonſt etwas, wodurch die andern ver- dunkelt werden können; aber euch hat die böſe Tante Selma ſo reich gemacht, daß man bei euch gar nichts der Art anbringen kann. Billig ſollten die Juwelier und ſämmtlichen Bijouteriehändler die Tante verklagen, denn ſie müſſen ja alle verar-
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hängende Bild, dann zum Himmel, und ich ſahe
das Vaterauge in feuchtem Glanze. Er verbarg
den naſſen Blick, indem er mich mit dem Kinde
umſchloß; aber ich fühlte einen Tropfen auf mei-
ner Wange — o Clare! wie war ich ſo ſelig! es
war ja eine Freudenthräne — welche köſtliche
Perle für Deine Jda! — Die Mutter konnte
nichts, als mich ſtill an’s Herz drücken.
Nach einem Weilchen ſagte der Vater, ſeinen
gewöhnlichen Humor wieder findend: Mit euch
allzuglücklichen Menſchen iſt nichts anzufangen;
man kann euch nicht einmal etwas ſchenken, ihr
habt alles genug und vollauf in eurem überfrohen
Herzen. Andern jungen Weibern kann man doch
auch eine Freude machen, mit ein Paar brillan-
ten Ohrgehängen, mit einem ſchönen Perlenhals-
bande, oder ſonſt etwas, wodurch die andern ver-
dunkelt werden können; aber euch hat die böſe
Tante Selma ſo reich gemacht, daß man bei euch
gar nichts der Art anbringen kann. Billig ſollten
die Juwelier und ſämmtlichen Bijouteriehändler die
Tante verklagen, denn ſie müſſen ja alle verar-
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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 387. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/395>, abgerufen am 22.11.2024.
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