Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807.auf eine Weise wieder erstatten, was Tante Selma an mir gethan hat. Betty und Jda und Mathilde drücken jede ein Kindlein ans Herz, und können es dem vergelten, was doch kein anderer Dank vergüten kann. Jch will von nun an an fremden Kindern thun, was Tante Selma uns that, und was die lieben Dreie an den ihrigen abtragen. Willst Du es, mein Bruno, und willigst auch Du ein, mein theurer Vater, so nehmen wir einige ganz junge Kinder zu uns, die das Unglück hat- ten, ihre Mütter früh zu verlieren. Auch möchte ich solche Kinder nehmen, denen das äußere Glück überall nie gelächelt, damit sie bei uns seine Gunst entbehren lernten. Wie wollen wir denn aber eine solche Familie erhalten? fragte Bruno. Wie wür- den wir unsere eigene erhalten, antwortete Clare, wenn uns der Himmel eine recht zahlreiche zuge- dacht hätte? Dann müßten wir ihm vertrauen, daß er uns Mittel anwiese, sie zu erhalten. Nun das wollen wir auch in diesem Falle. Jndem klopfte der Briefbote aus der Stadt. Was er brachte war ein Brief von Jda an Clärchen. Clär- chen las und bethaute ihn reichlich mit Freuden- (49)
auf eine Weiſe wieder erſtatten, was Tante Selma an mir gethan hat. Betty und Jda und Mathilde drücken jede ein Kindlein ans Herz, und können es dem vergelten, was doch kein anderer Dank vergüten kann. Jch will von nun an an fremden Kindern thun, was Tante Selma uns that, und was die lieben Dreie an den ihrigen abtragen. Willſt Du es, mein Bruno, und willigſt auch Du ein, mein theurer Vater, ſo nehmen wir einige ganz junge Kinder zu uns, die das Unglück hat- ten, ihre Mütter früh zu verlieren. Auch möchte ich ſolche Kinder nehmen, denen das äußere Glück überall nie gelächelt, damit ſie bei uns ſeine Gunſt entbehren lernten. Wie wollen wir denn aber eine ſolche Familie erhalten? fragte Bruno. Wie wür- den wir unſere eigene erhalten, antwortete Clare, wenn uns der Himmel eine recht zahlreiche zuge- dacht hätte? Dann müßten wir ihm vertrauen, daß er uns Mittel anwieſe, ſie zu erhalten. Nun das wollen wir auch in dieſem Falle. Jndem klopfte der Briefbote aus der Stadt. Was er brachte war ein Brief von Jda an Clärchen. Clär- chen las und bethaute ihn reichlich mit Freuden- (49)
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0393" n="385"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> auf <hi rendition="#g">eine</hi> Weiſe wieder erſtatten, was Tante Selma<lb/> an mir gethan hat. Betty und Jda und Mathilde<lb/> drücken jede ein Kindlein ans Herz, und können<lb/> es dem vergelten, was doch kein anderer Dank<lb/> vergüten kann. Jch will von nun an an fremden<lb/> Kindern thun, was Tante Selma uns that, und<lb/> was die lieben Dreie an den ihrigen abtragen.<lb/> Willſt Du es, mein Bruno, und willigſt auch Du<lb/> ein, mein theurer Vater, ſo nehmen wir einige<lb/> ganz junge Kinder zu uns, die das Unglück hat-<lb/> ten, ihre Mütter früh zu verlieren. Auch möchte<lb/> ich ſolche Kinder nehmen, denen das äußere Glück<lb/> überall nie gelächelt, damit ſie bei uns ſeine Gunſt<lb/> entbehren lernten. Wie wollen wir denn aber eine<lb/> ſolche Familie erhalten? fragte Bruno. Wie wür-<lb/> den wir unſere eigene erhalten, antwortete Clare,<lb/> wenn uns der Himmel eine recht zahlreiche zuge-<lb/> dacht hätte? Dann müßten wir ihm vertrauen,<lb/> daß er uns Mittel anwieſe, ſie zu erhalten. Nun<lb/> das wollen wir auch in dieſem Falle. Jndem<lb/> klopfte der Briefbote aus der Stadt. Was er<lb/> brachte war ein Brief von Jda an Clärchen. Clär-<lb/> chen las und bethaute ihn reichlich mit Freuden-<lb/> <fw place="bottom" type="sig">(49)</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [385/0393]
auf eine Weiſe wieder erſtatten, was Tante Selma
an mir gethan hat. Betty und Jda und Mathilde
drücken jede ein Kindlein ans Herz, und können
es dem vergelten, was doch kein anderer Dank
vergüten kann. Jch will von nun an an fremden
Kindern thun, was Tante Selma uns that, und
was die lieben Dreie an den ihrigen abtragen.
Willſt Du es, mein Bruno, und willigſt auch Du
ein, mein theurer Vater, ſo nehmen wir einige
ganz junge Kinder zu uns, die das Unglück hat-
ten, ihre Mütter früh zu verlieren. Auch möchte
ich ſolche Kinder nehmen, denen das äußere Glück
überall nie gelächelt, damit ſie bei uns ſeine Gunſt
entbehren lernten. Wie wollen wir denn aber eine
ſolche Familie erhalten? fragte Bruno. Wie wür-
den wir unſere eigene erhalten, antwortete Clare,
wenn uns der Himmel eine recht zahlreiche zuge-
dacht hätte? Dann müßten wir ihm vertrauen,
daß er uns Mittel anwieſe, ſie zu erhalten. Nun
das wollen wir auch in dieſem Falle. Jndem
klopfte der Briefbote aus der Stadt. Was er
brachte war ein Brief von Jda an Clärchen. Clär-
chen las und bethaute ihn reichlich mit Freuden-
(49)
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/393 |
Zitationshilfe: | Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 385. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/393>, abgerufen am 24.07.2024. |