Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807.von den drei Königinnen erhaschen. Ja, wenn's nur Königinnen wären, so brauchten sie wenig- stens schleppentragende Pagen, oder einen Spaß- vogel, und müßten ordentlich essen und trinken -- Göttinnen sind es, die alles, alles genug haben, und von Luft und Nektar und Ambrosia leben." Mathilde sagt nicht, wie sehr sie Jda entbehrt, sie will es still verschmerzen. Auch schafft sie sich täglich neue Beschäftigung. So bat sie mich kürzlich, ihr Gelegenheit zum Spanischen zu ver- schaffen. Jch habe jetzt einen Meister für sie ge- funden. Auch Elvirens Töchter nehmen Theil, und so gibt es einen neuen Wetteifer. Hertha hat nicht Geduld genug dazu. Den Bruder zu necken, dazu ist ihr aller Muth gesunken. Und mich freut es, daß ihr das höchste Lebensglück, so wie der tiefste Schmerz Ehrfurcht gebieten. Milly und Seraphine sind das seltsamste Kinder- pärchen -- so gar und ganz verschieden -- und doch in vielen Stücken wie für einander geschaffen, Seraphine kann fast nicht mehr ohne Milly seyn. Seraphine war von ihrer einsamen Mutter fast allzusehr zum Küssen, und zu kleinen Liebkosun- von den drei Königinnen erhaſchen. Ja, wenn’s nur Königinnen wären, ſo brauchten ſie wenig- ſtens ſchleppentragende Pagen, oder einen Spaß- vogel, und müßten ordentlich eſſen und trinken — Göttinnen ſind es, die alles, alles genug haben, und von Luft und Nektar und Ambroſia leben.‟ Mathilde ſagt nicht, wie ſehr ſie Jda entbehrt, ſie will es ſtill verſchmerzen. Auch ſchafft ſie ſich täglich neue Beſchäftigung. So bat ſie mich kürzlich, ihr Gelegenheit zum Spaniſchen zu ver- ſchaffen. Jch habe jetzt einen Meiſter für ſie ge- funden. Auch Elvirens Töchter nehmen Theil, und ſo gibt es einen neuen Wetteifer. Hertha hat nicht Geduld genug dazu. Den Bruder zu necken, dazu iſt ihr aller Muth geſunken. Und mich freut es, daß ihr das höchſte Lebensglück, ſo wie der tiefſte Schmerz Ehrfurcht gebieten. Milly und Seraphine ſind das ſeltſamſte Kinder- pärchen — ſo gar und ganz verſchieden — und doch in vielen Stücken wie für einander geſchaffen, Seraphine kann faſt nicht mehr ohne Milly ſeyn. Seraphine war von ihrer einſamen Mutter faſt allzuſehr zum Küſſen, und zu kleinen Liebkoſun- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0378" n="370"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> von den drei Königinnen erhaſchen. Ja, wenn’s<lb/> nur Königinnen wären, ſo brauchten ſie wenig-<lb/> ſtens ſchleppentragende Pagen, oder einen Spaß-<lb/> vogel, und müßten ordentlich eſſen und trinken —<lb/> Göttinnen ſind es, die alles, alles genug haben,<lb/> und von Luft und Nektar und Ambroſia leben.‟<lb/> Mathilde ſagt nicht, wie ſehr ſie Jda entbehrt,<lb/> ſie will es ſtill verſchmerzen. Auch ſchafft ſie ſich<lb/> täglich neue Beſchäftigung. So bat ſie mich<lb/> kürzlich, ihr Gelegenheit zum Spaniſchen zu ver-<lb/> ſchaffen. Jch habe jetzt einen Meiſter für ſie ge-<lb/> funden. Auch Elvirens Töchter nehmen Theil,<lb/> und ſo gibt es einen neuen Wetteifer. Hertha<lb/> hat nicht Geduld genug dazu. Den Bruder zu<lb/> necken, dazu iſt ihr aller Muth geſunken. Und<lb/> mich freut es, daß ihr das höchſte Lebensglück,<lb/> ſo wie der tiefſte Schmerz Ehrfurcht gebieten.<lb/> Milly und Seraphine ſind das ſeltſamſte Kinder-<lb/> pärchen — ſo gar und ganz verſchieden — und<lb/> doch in vielen Stücken wie für einander geſchaffen,<lb/> Seraphine kann faſt nicht mehr ohne Milly ſeyn.<lb/> Seraphine war von ihrer einſamen Mutter faſt<lb/> allzuſehr zum Küſſen, und zu kleinen Liebkoſun-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [370/0378]
von den drei Königinnen erhaſchen. Ja, wenn’s
nur Königinnen wären, ſo brauchten ſie wenig-
ſtens ſchleppentragende Pagen, oder einen Spaß-
vogel, und müßten ordentlich eſſen und trinken —
Göttinnen ſind es, die alles, alles genug haben,
und von Luft und Nektar und Ambroſia leben.‟
Mathilde ſagt nicht, wie ſehr ſie Jda entbehrt,
ſie will es ſtill verſchmerzen. Auch ſchafft ſie ſich
täglich neue Beſchäftigung. So bat ſie mich
kürzlich, ihr Gelegenheit zum Spaniſchen zu ver-
ſchaffen. Jch habe jetzt einen Meiſter für ſie ge-
funden. Auch Elvirens Töchter nehmen Theil,
und ſo gibt es einen neuen Wetteifer. Hertha
hat nicht Geduld genug dazu. Den Bruder zu
necken, dazu iſt ihr aller Muth geſunken. Und
mich freut es, daß ihr das höchſte Lebensglück,
ſo wie der tiefſte Schmerz Ehrfurcht gebieten.
Milly und Seraphine ſind das ſeltſamſte Kinder-
pärchen — ſo gar und ganz verſchieden — und
doch in vielen Stücken wie für einander geſchaffen,
Seraphine kann faſt nicht mehr ohne Milly ſeyn.
Seraphine war von ihrer einſamen Mutter faſt
allzuſehr zum Küſſen, und zu kleinen Liebkoſun-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/378 |
Zitationshilfe: | Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 370. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/378>, abgerufen am 24.07.2024. |