Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807.

Bild:
<< vorherige Seite



noch nie gefragt, warum der Tisch kein Bett und
das Bett kein Ofen sey? Der Tisch und der Schrank,
der Stuhl, das Bett und der Ofen müssen da
seyn, und allerlei liebe Hausthiere dazu, wenn
es einem im Hause recht wohl werden soll. Das
scheinst Du selbst einzusehen. Oder würdest Du
es gern haben, wenn auch Tisch und Stühle und
alle Geräthschaften lebten, und im Hause lustig
durcheinander liefen? -- Die Jdee der lebenden
Hausgeräthe machte die närrische Kleine gewaltig
lachen, und sie schlief bald darauf gar vergnügt ein.

Das Reiben dieser sehr verschiedenen Naturen
aneinander muß für Milly wie für Seraphine ge-
deihlich werden. Milly's seltsamer Geist gibt mei-
nen Jdeen über Erziehung täglich neuen Zuwachs.
Fester als je überzeuge ich mich, daß bei so unge-
meinen Kindern nur sehr wenig Positives anzu-
wenden stehe. Solchen kann eigentlich nichts ge-
geben werden. Es ist aber höchst nöthig zu wa-
chen, daß ihre sprudelnde Quelle nicht verstopft
noch getrübt, noch mißleitet werde. Mißleitet
oder getrübt bringt sie Unheil. Auch wird es be-



noch nie gefragt, warum der Tiſch kein Bett und
das Bett kein Ofen ſey? Der Tiſch und der Schrank,
der Stuhl, das Bett und der Ofen müſſen da
ſeyn, und allerlei liebe Hausthiere dazu, wenn
es einem im Hauſe recht wohl werden ſoll. Das
ſcheinſt Du ſelbſt einzuſehen. Oder würdeſt Du
es gern haben, wenn auch Tiſch und Stühle und
alle Geräthſchaften lebten, und im Hauſe luſtig
durcheinander liefen? — Die Jdee der lebenden
Hausgeräthe machte die närriſche Kleine gewaltig
lachen, und ſie ſchlief bald darauf gar vergnügt ein.

Das Reiben dieſer ſehr verſchiedenen Naturen
aneinander muß für Milly wie für Seraphine ge-
deihlich werden. Milly’s ſeltſamer Geiſt gibt mei-
nen Jdeen über Erziehung täglich neuen Zuwachs.
Feſter als je überzeuge ich mich, daß bei ſo unge-
meinen Kindern nur ſehr wenig Poſitives anzu-
wenden ſtehe. Solchen kann eigentlich nichts ge-
geben werden. Es iſt aber höchſt nöthig zu wa-
chen, daß ihre ſprudelnde Quelle nicht verſtopft
noch getrübt, noch mißleitet werde. Mißleitet
oder getrübt bringt ſie Unheil. Auch wird es be-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0373" n="365"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
noch nie gefragt, warum der Ti&#x017F;ch kein Bett und<lb/>
das Bett kein Ofen &#x017F;ey? Der Ti&#x017F;ch und der Schrank,<lb/>
der Stuhl, das Bett und der Ofen mü&#x017F;&#x017F;en da<lb/>
&#x017F;eyn, und allerlei liebe Hausthiere dazu, wenn<lb/>
es einem im Hau&#x017F;e recht wohl werden &#x017F;oll. Das<lb/>
&#x017F;chein&#x017F;t Du &#x017F;elb&#x017F;t einzu&#x017F;ehen. Oder würde&#x017F;t Du<lb/>
es gern haben, wenn auch Ti&#x017F;ch und Stühle und<lb/>
alle Geräth&#x017F;chaften lebten, und im Hau&#x017F;e lu&#x017F;tig<lb/>
durcheinander liefen? &#x2014; Die Jdee der lebenden<lb/>
Hausgeräthe machte die närri&#x017F;che Kleine gewaltig<lb/>
lachen, und &#x017F;ie &#x017F;chlief bald darauf gar vergnügt ein.</p><lb/>
          <p>Das Reiben die&#x017F;er &#x017F;ehr ver&#x017F;chiedenen Naturen<lb/>
aneinander muß für Milly wie für Seraphine ge-<lb/>
deihlich werden. Milly&#x2019;s &#x017F;elt&#x017F;amer Gei&#x017F;t gibt mei-<lb/>
nen Jdeen über Erziehung täglich neuen Zuwachs.<lb/>
Fe&#x017F;ter als je überzeuge ich mich, daß bei &#x017F;o unge-<lb/>
meinen Kindern nur &#x017F;ehr wenig Po&#x017F;itives anzu-<lb/>
wenden &#x017F;tehe. Solchen kann eigentlich nichts ge-<lb/>
geben werden. Es i&#x017F;t aber höch&#x017F;t nöthig zu wa-<lb/>
chen, daß ihre &#x017F;prudelnde Quelle nicht ver&#x017F;topft<lb/>
noch getrübt, noch mißleitet werde. Mißleitet<lb/>
oder getrübt bringt &#x017F;ie Unheil. Auch wird es be-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[365/0373] noch nie gefragt, warum der Tiſch kein Bett und das Bett kein Ofen ſey? Der Tiſch und der Schrank, der Stuhl, das Bett und der Ofen müſſen da ſeyn, und allerlei liebe Hausthiere dazu, wenn es einem im Hauſe recht wohl werden ſoll. Das ſcheinſt Du ſelbſt einzuſehen. Oder würdeſt Du es gern haben, wenn auch Tiſch und Stühle und alle Geräthſchaften lebten, und im Hauſe luſtig durcheinander liefen? — Die Jdee der lebenden Hausgeräthe machte die närriſche Kleine gewaltig lachen, und ſie ſchlief bald darauf gar vergnügt ein. Das Reiben dieſer ſehr verſchiedenen Naturen aneinander muß für Milly wie für Seraphine ge- deihlich werden. Milly’s ſeltſamer Geiſt gibt mei- nen Jdeen über Erziehung täglich neuen Zuwachs. Feſter als je überzeuge ich mich, daß bei ſo unge- meinen Kindern nur ſehr wenig Poſitives anzu- wenden ſtehe. Solchen kann eigentlich nichts ge- geben werden. Es iſt aber höchſt nöthig zu wa- chen, daß ihre ſprudelnde Quelle nicht verſtopft noch getrübt, noch mißleitet werde. Mißleitet oder getrübt bringt ſie Unheil. Auch wird es be-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/373
Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 365. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/373>, abgerufen am 25.11.2024.