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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807.

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sie artig wären. Es kam der Pfarrer mit Bruno
auf uns zu, indem das Kind so plauderte. Zür-
nen Sie mir nicht, theure Freundin, daß ich Jh-
nen bei dem Kinde also vorgegriffen, sprach er,
mich ein wenig abwärts führend. Die Kleine
sah mich oft in dem Garten bei den Blumen
stehen bleiben, oder den Regenbogen betrachten.
Vor einigen Tagen reichte sie mir das Händchen,
und sagte: im Garten ich den Herrn Pfarrer et-
was fragen will. Jch ging mit ihr hinaus. Sie
führte mich an eine hohe Lilienstaude, die sie zum
erstenmale blühend sah, blieb daran stehen, und
sagte: Wer hat die Blume gemacht? -- Die Blu-
me ist gewachsen, und in dieser Nacht aufgeblü-
het, war meine Antwort. Jndem sah sie den
Regenbogen an, der vor uns im Osten stand, und
fragte weiter: ist der Regenbogen auch gewach-
sen und aufgeblühet? Nein, mein Kind. Wo ist
denn der Regenbogen hergekommen? Jetzt ist der
günstige Moment zum ersten Eindrucke da, dacht'
ich, und stand nicht länger an, ihr zu sagen, was
sie Jhnen sehr getreu wieder erzählt. Finden
Sie es nun jetzt noch zu früh, so vergißt das Kind



ſie artig wären. Es kam der Pfarrer mit Bruno
auf uns zu, indem das Kind ſo plauderte. Zür-
nen Sie mir nicht, theure Freundin, daß ich Jh-
nen bei dem Kinde alſo vorgegriffen, ſprach er,
mich ein wenig abwärts führend. Die Kleine
ſah mich oft in dem Garten bei den Blumen
ſtehen bleiben, oder den Regenbogen betrachten.
Vor einigen Tagen reichte ſie mir das Händchen,
und ſagte: im Garten ich den Herrn Pfarrer et-
was fragen will. Jch ging mit ihr hinaus. Sie
führte mich an eine hohe Lilienſtaude, die ſie zum
erſtenmale blühend ſah, blieb daran ſtehen, und
ſagte: Wer hat die Blume gemacht? — Die Blu-
me iſt gewachſen, und in dieſer Nacht aufgeblü-
het, war meine Antwort. Jndem ſah ſie den
Regenbogen an, der vor uns im Oſten ſtand, und
fragte weiter: iſt der Regenbogen auch gewach-
ſen und aufgeblühet? Nein, mein Kind. Wo iſt
denn der Regenbogen hergekommen? Jetzt iſt der
günſtige Moment zum erſten Eindrucke da, dacht’
ich, und ſtand nicht länger an, ihr zu ſagen, was
ſie Jhnen ſehr getreu wieder erzählt. Finden
Sie es nun jetzt noch zu früh, ſo vergißt das Kind

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[350/0358] ſie artig wären. Es kam der Pfarrer mit Bruno auf uns zu, indem das Kind ſo plauderte. Zür- nen Sie mir nicht, theure Freundin, daß ich Jh- nen bei dem Kinde alſo vorgegriffen, ſprach er, mich ein wenig abwärts führend. Die Kleine ſah mich oft in dem Garten bei den Blumen ſtehen bleiben, oder den Regenbogen betrachten. Vor einigen Tagen reichte ſie mir das Händchen, und ſagte: im Garten ich den Herrn Pfarrer et- was fragen will. Jch ging mit ihr hinaus. Sie führte mich an eine hohe Lilienſtaude, die ſie zum erſtenmale blühend ſah, blieb daran ſtehen, und ſagte: Wer hat die Blume gemacht? — Die Blu- me iſt gewachſen, und in dieſer Nacht aufgeblü- het, war meine Antwort. Jndem ſah ſie den Regenbogen an, der vor uns im Oſten ſtand, und fragte weiter: iſt der Regenbogen auch gewach- ſen und aufgeblühet? Nein, mein Kind. Wo iſt denn der Regenbogen hergekommen? Jetzt iſt der günſtige Moment zum erſten Eindrucke da, dacht’ ich, und ſtand nicht länger an, ihr zu ſagen, was ſie Jhnen ſehr getreu wieder erzählt. Finden Sie es nun jetzt noch zu früh, ſo vergißt das Kind

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/358>, abgerufen am 22.11.2024.