Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807.brauche ich nicht zu erinnern. Endlich hielten unsere Wagen vor der Thür, als das Kind mit Bruno im Garten war. Alles flog im wilden Freudentaumel durch einander, als wir ausstiegen. Meine Sinne waren verwirrt, und so sehnlich mich nach dem Kinde verlangt hatte, so sahe ich es doch nicht, als es mitten unter uns stand, bis es schmerzhaft weinend rief: Seraphine ist auch da, Mutter Seraphine auch küssen! Bruno hob es zu mir in die Höhe: Mutter, Mutter wieder da! rief die Kleine, und klammerte sich fest an mich. Mutter, süße Mutter ist so lange weg ge- wesen! Nun Mutter nicht mehr wegreisen. Se- raphine will Mutter immer festhalten, ganz fest. Seraphine Mutter so lieb hat! -- Sie beschrieb mit dem Fingerchen einen gewaltigen Kreis, um das Maaß ihrer Liebe zu bezeichnen. Und nun lief sie hin, und holte ihre Puppe, und dann die Blumen, die sie auch heute, wie alle Morgen, frisch auf meinen Tisch gelegt. Dann zog sie mich gewaltsam fort in den Garten, um mir zu zei- gen, was da seitdem aufgeblühet, und dann klet- terte sie wieder an mich hinauf, als ich von so brauche ich nicht zu erinnern. Endlich hielten unſere Wagen vor der Thür, als das Kind mit Bruno im Garten war. Alles flog im wilden Freudentaumel durch einander, als wir ausſtiegen. Meine Sinne waren verwirrt, und ſo ſehnlich mich nach dem Kinde verlangt hatte, ſo ſahe ich es doch nicht, als es mitten unter uns ſtand, bis es ſchmerzhaft weinend rief: Seraphine iſt auch da, Mutter Seraphine auch küſſen! Bruno hob es zu mir in die Höhe: Mutter, Mutter wieder da! rief die Kleine, und klammerte ſich feſt an mich. Mutter, ſüße Mutter iſt ſo lange weg ge- weſen! Nun Mutter nicht mehr wegreiſen. Se- raphine will Mutter immer feſthalten, ganz feſt. Seraphine Mutter ſo lieb hat! — Sie beſchrieb mit dem Fingerchen einen gewaltigen Kreis, um das Maaß ihrer Liebe zu bezeichnen. Und nun lief ſie hin, und holte ihre Puppe, und dann die Blumen, die ſie auch heute, wie alle Morgen, friſch auf meinen Tiſch gelegt. Dann zog ſie mich gewaltſam fort in den Garten, um mir zu zei- gen, was da ſeitdem aufgeblühet, und dann klet- terte ſie wieder an mich hinauf, als ich von ſo <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0356" n="348"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> brauche ich nicht zu erinnern. Endlich hielten<lb/> unſere Wagen vor der Thür, als das Kind mit<lb/> Bruno im Garten war. Alles flog im wilden<lb/> Freudentaumel durch einander, als wir ausſtiegen.<lb/> Meine Sinne waren verwirrt, und ſo ſehnlich<lb/> mich nach dem Kinde verlangt hatte, ſo ſahe ich<lb/> es doch nicht, als es mitten unter uns ſtand, bis<lb/> es ſchmerzhaft weinend rief: Seraphine iſt auch<lb/> da, Mutter Seraphine auch küſſen! Bruno hob<lb/> es zu mir in die Höhe: Mutter, Mutter wieder<lb/> da! rief die Kleine, und klammerte ſich feſt an<lb/> mich. Mutter, ſüße Mutter iſt ſo lange weg ge-<lb/> weſen! Nun Mutter nicht mehr wegreiſen. Se-<lb/> raphine will Mutter immer feſthalten, ganz feſt.<lb/> Seraphine Mutter <hi rendition="#g">ſo</hi> lieb hat! — Sie beſchrieb<lb/> mit dem Fingerchen einen gewaltigen Kreis, um<lb/> das Maaß ihrer Liebe zu bezeichnen. Und nun<lb/> lief ſie hin, und holte ihre Puppe, und dann die<lb/> Blumen, die ſie auch heute, wie alle Morgen,<lb/> friſch auf meinen Tiſch gelegt. Dann zog ſie mich<lb/> gewaltſam fort in den Garten, um mir zu zei-<lb/> gen, was da ſeitdem aufgeblühet, und dann klet-<lb/> terte ſie wieder an mich hinauf, als ich von ſo<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [348/0356]
brauche ich nicht zu erinnern. Endlich hielten
unſere Wagen vor der Thür, als das Kind mit
Bruno im Garten war. Alles flog im wilden
Freudentaumel durch einander, als wir ausſtiegen.
Meine Sinne waren verwirrt, und ſo ſehnlich
mich nach dem Kinde verlangt hatte, ſo ſahe ich
es doch nicht, als es mitten unter uns ſtand, bis
es ſchmerzhaft weinend rief: Seraphine iſt auch
da, Mutter Seraphine auch küſſen! Bruno hob
es zu mir in die Höhe: Mutter, Mutter wieder
da! rief die Kleine, und klammerte ſich feſt an
mich. Mutter, ſüße Mutter iſt ſo lange weg ge-
weſen! Nun Mutter nicht mehr wegreiſen. Se-
raphine will Mutter immer feſthalten, ganz feſt.
Seraphine Mutter ſo lieb hat! — Sie beſchrieb
mit dem Fingerchen einen gewaltigen Kreis, um
das Maaß ihrer Liebe zu bezeichnen. Und nun
lief ſie hin, und holte ihre Puppe, und dann die
Blumen, die ſie auch heute, wie alle Morgen,
friſch auf meinen Tiſch gelegt. Dann zog ſie mich
gewaltſam fort in den Garten, um mir zu zei-
gen, was da ſeitdem aufgeblühet, und dann klet-
terte ſie wieder an mich hinauf, als ich von ſo
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Zitationshilfe: | Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/356>, abgerufen am 24.07.2024. |