dem Herzen eines Mannes entzündet, der allen Klippen und allen Sirenen der Jugend schon vor- beigeschifft war. Lebe wohl, Emma. Der Kin- der Briefe müssen Dein Herz von Freude fast trun- ken machen.
Drei und achtzigster Brief.
Seit acht Tagen sind wir wieder in Genf. Dir die neuen Szenen der Lust zu malen, ist mir fast unmöglich, auch berufe ich mich auf die Briefe der Jnteressenten selbst. Nur so viel: Unsere Betty nimmt ihr Glück vom Schicksale mit einer Würde an, die Dich und Deinen Gemahl ent- zücken müßte, wenn sie sich in Briefen so äußern könnte, wie in ihrer ganzen Person. Der stolze Woldemar ist so demüthig, so sanft, daß man sagen möchte, beide hätten ihre Persönlichkeiten gegen einander ausgetauscht. Wo die stille schüch- terne Betty einen solchen Muth hergenommen, ist schwer zu deuten. Auch ist Betty, seit wir sie
dem Herzen eines Mannes entzündet, der allen Klippen und allen Sirenen der Jugend ſchon vor- beigeſchifft war. Lebe wohl, Emma. Der Kin- der Briefe müſſen Dein Herz von Freude faſt trun- ken machen.
Drei und achtzigſter Brief.
Seit acht Tagen ſind wir wieder in Genf. Dir die neuen Szenen der Luſt zu malen, iſt mir faſt unmöglich, auch berufe ich mich auf die Briefe der Jntereſſenten ſelbſt. Nur ſo viel: Unſere Betty nimmt ihr Glück vom Schickſale mit einer Würde an, die Dich und Deinen Gemahl ent- zücken müßte, wenn ſie ſich in Briefen ſo äußern könnte, wie in ihrer ganzen Perſon. Der ſtolze Woldemar iſt ſo demüthig, ſo ſanft, daß man ſagen möchte, beide hätten ihre Perſönlichkeiten gegen einander ausgetauſcht. Wo die ſtille ſchüch- terne Betty einen ſolchen Muth hergenommen, iſt ſchwer zu deuten. Auch iſt Betty, ſeit wir ſie
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dem Herzen eines Mannes entzündet, der allen
Klippen und allen Sirenen der Jugend ſchon vor-
beigeſchifft war. Lebe wohl, Emma. Der Kin-
der Briefe müſſen Dein Herz von Freude faſt trun-
ken machen.
Drei und achtzigſter Brief.
Seit acht Tagen ſind wir wieder in Genf. Dir
die neuen Szenen der Luſt zu malen, iſt mir faſt
unmöglich, auch berufe ich mich auf die Briefe
der Jntereſſenten ſelbſt. Nur ſo viel: Unſere
Betty nimmt ihr Glück vom Schickſale mit einer
Würde an, die Dich und Deinen Gemahl ent-
zücken müßte, wenn ſie ſich in Briefen ſo äußern
könnte, wie in ihrer ganzen Perſon. Der ſtolze
Woldemar iſt ſo demüthig, ſo ſanft, daß man
ſagen möchte, beide hätten ihre Perſönlichkeiten
gegen einander ausgetauſcht. Wo die ſtille ſchüch-
terne Betty einen ſolchen Muth hergenommen,
iſt ſchwer zu deuten. Auch iſt Betty, ſeit wir ſie
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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/346>, abgerufen am 24.11.2024.
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