Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807.rakter angenommen. Jetzt, da die Sehnsucht ih- res Herzens so schön gestillt ist, ist auch alle lei- denschaftliche Heftigkeit fern von ihr. Sie liebt mit der stillen Jnnigkeit einer ganz befriedigten Seele, verloren in dem Erwählten, und doch voll Ruhe, so wie höhere Wesen lieben müssen. Von Platov wird sie mit dem heftigsten Jugendfeuer vergöttert. Und wenn er mit bebendem Entzücken vor ihr steht und sie unverwandt anschaut, als wolle er in ihrem Anschauen vergehen, so blickt ihr schönes Auge halb von der schattenden Wimper beschützt nur schüchtern zu ihm auf, und senkt sich bald wieder. Oft scheint ihr sinnender Blick zu fragen: bin ich es denn wirklich die so überschweng, lich geliebt wird? Warum bin denn ich so selig? "Was ist es denn an oder in mir, das den Pla- tov so hingerissen?" fragte sie mich kürzlich. Jch kann ja seine Liebe nicht begreifen. Es ist nichts Einzelnes in oder an Dir, meine Jda; es ist Dein ganzes eigenes Selbst, das sein Jnneres befriedigend ausfüllt. Unbegreiflich, sagte sie. Wie er mich so ganz erfüllt, das kann ich begrei- fen. Jch hätte durch mich allein nicht bestehen rakter angenommen. Jetzt, da die Sehnſucht ih- res Herzens ſo ſchön geſtillt iſt, iſt auch alle lei- denſchaftliche Heftigkeit fern von ihr. Sie liebt mit der ſtillen Jnnigkeit einer ganz befriedigten Seele, verloren in dem Erwählten, und doch voll Ruhe, ſo wie höhere Weſen lieben müſſen. Von Platov wird ſie mit dem heftigſten Jugendfeuer vergöttert. Und wenn er mit bebendem Entzücken vor ihr ſteht und ſie unverwandt anſchaut, als wolle er in ihrem Anſchauen vergehen, ſo blickt ihr ſchönes Auge halb von der ſchattenden Wimper beſchützt nur ſchüchtern zu ihm auf, und ſenkt ſich bald wieder. Oft ſcheint ihr ſinnender Blick zu fragen: bin ich es denn wirklich die ſo überſchweng, lich geliebt wird? Warum bin denn ich ſo ſelig? „Was iſt es denn an oder in mir, das den Pla- tov ſo hingeriſſen?‟ fragte ſie mich kürzlich. Jch kann ja ſeine Liebe nicht begreifen. Es iſt nichts Einzelnes in oder an Dir, meine Jda; es iſt Dein ganzes eigenes Selbſt, das ſein Jnneres befriedigend ausfüllt. Unbegreiflich, ſagte ſie. Wie er mich ſo ganz erfüllt, das kann ich begrei- fen. Jch hätte durch mich allein nicht beſtehen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0340" n="332"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> rakter angenommen. Jetzt, da die Sehnſucht ih-<lb/> res Herzens ſo ſchön geſtillt iſt, iſt auch alle lei-<lb/> denſchaftliche Heftigkeit fern von ihr. Sie liebt<lb/> mit der ſtillen Jnnigkeit einer ganz befriedigten<lb/> Seele, verloren in dem Erwählten, und doch voll<lb/> Ruhe, ſo wie höhere Weſen lieben müſſen. Von<lb/> Platov wird ſie mit dem heftigſten Jugendfeuer<lb/> vergöttert. Und wenn er mit bebendem Entzücken<lb/> vor ihr ſteht und ſie unverwandt anſchaut, als<lb/> wolle er in ihrem Anſchauen vergehen, ſo blickt<lb/> ihr ſchönes Auge halb von der ſchattenden Wimper<lb/> beſchützt nur ſchüchtern zu ihm auf, und ſenkt ſich<lb/> bald wieder. Oft ſcheint ihr ſinnender Blick zu<lb/> fragen: bin ich es denn wirklich die ſo überſchweng,<lb/> lich geliebt wird? Warum bin denn ich ſo ſelig?<lb/> „Was iſt es denn an oder in mir, das den Pla-<lb/> tov ſo hingeriſſen?‟ fragte ſie mich kürzlich.<lb/> Jch kann ja ſeine Liebe nicht begreifen. Es iſt<lb/> nichts Einzelnes in oder an Dir, meine Jda; es<lb/> iſt Dein ganzes eigenes Selbſt, das ſein Jnneres<lb/> befriedigend ausfüllt. Unbegreiflich, ſagte ſie.<lb/> Wie er mich ſo ganz erfüllt, das kann ich begrei-<lb/> fen. Jch hätte durch mich allein nicht beſtehen<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [332/0340]
rakter angenommen. Jetzt, da die Sehnſucht ih-
res Herzens ſo ſchön geſtillt iſt, iſt auch alle lei-
denſchaftliche Heftigkeit fern von ihr. Sie liebt
mit der ſtillen Jnnigkeit einer ganz befriedigten
Seele, verloren in dem Erwählten, und doch voll
Ruhe, ſo wie höhere Weſen lieben müſſen. Von
Platov wird ſie mit dem heftigſten Jugendfeuer
vergöttert. Und wenn er mit bebendem Entzücken
vor ihr ſteht und ſie unverwandt anſchaut, als
wolle er in ihrem Anſchauen vergehen, ſo blickt
ihr ſchönes Auge halb von der ſchattenden Wimper
beſchützt nur ſchüchtern zu ihm auf, und ſenkt ſich
bald wieder. Oft ſcheint ihr ſinnender Blick zu
fragen: bin ich es denn wirklich die ſo überſchweng,
lich geliebt wird? Warum bin denn ich ſo ſelig?
„Was iſt es denn an oder in mir, das den Pla-
tov ſo hingeriſſen?‟ fragte ſie mich kürzlich.
Jch kann ja ſeine Liebe nicht begreifen. Es iſt
nichts Einzelnes in oder an Dir, meine Jda; es
iſt Dein ganzes eigenes Selbſt, das ſein Jnneres
befriedigend ausfüllt. Unbegreiflich, ſagte ſie.
Wie er mich ſo ganz erfüllt, das kann ich begrei-
fen. Jch hätte durch mich allein nicht beſtehen
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