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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807.

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Seraphine hat das mit fast allen lebhaften Kindern
gemein, daß sie Abends ungern zu Bette geht; an-
fangs dacht ich sie so lange aufbleiben zu lassen,
bis sie von selbst zu Bette verlangte. Aber dies
Verlangen kam gar nicht: sie wollte immer mit
uns aufbleiben, und dann war sie so ausgelassen
froh, und meistens so exaltirt, daß sie auch die
Nacht nicht schlafen konnte, und nicht selten auch
uns um den Schlaf brachte. Und darauf folgte
ganz natürlich ein verdrießlicher Tag. Jch beschloß
also, sie regelmäßig jeden Abend um 7 Uhr schlafen
zu legen. Wenn ich ihr nun vorbereitend sagte:
Seraphine, nun gehst Du bald zu Bette; so legte
sie sich aufs Bitten oder aufs Weinen. Seitdem
mache ich es anders. Jch lasse sie bis kurz vor 7
Uhr lustig herumspielen. Wenn es schlägt, stehe ich
schnell auf, nehme sie bei der Hand, fordere sie
auf, den andern gute Nacht zu sagen, und führe
sie hinauf ins Schlafzimmer. Jn wenigen Mi-
nuten ist sie eingeschlafen, und liegt da wie ein
lächelnder Engel, ohne daß es ihr eine Thräne oder
mir nur ein Wort gekostet, sie zum Schlafen zu
bringen. Lebe wohl, die Reiseanstalten fordern



Seraphine hat das mit faſt allen lebhaften Kindern
gemein, daß ſie Abends ungern zu Bette geht; an-
fangs dacht ich ſie ſo lange aufbleiben zu laſſen,
bis ſie von ſelbſt zu Bette verlangte. Aber dies
Verlangen kam gar nicht: ſie wollte immer mit
uns aufbleiben, und dann war ſie ſo ausgelaſſen
froh, und meiſtens ſo exaltirt, daß ſie auch die
Nacht nicht ſchlafen konnte, und nicht ſelten auch
uns um den Schlaf brachte. Und darauf folgte
ganz natürlich ein verdrießlicher Tag. Jch beſchloß
alſo, ſie regelmäßig jeden Abend um 7 Uhr ſchlafen
zu legen. Wenn ich ihr nun vorbereitend ſagte:
Seraphine, nun gehſt Du bald zu Bette; ſo legte
ſie ſich aufs Bitten oder aufs Weinen. Seitdem
mache ich es anders. Jch laſſe ſie bis kurz vor 7
Uhr luſtig herumſpielen. Wenn es ſchlägt, ſtehe ich
ſchnell auf, nehme ſie bei der Hand, fordere ſie
auf, den andern gute Nacht zu ſagen, und führe
ſie hinauf ins Schlafzimmer. Jn wenigen Mi-
nuten iſt ſie eingeſchlafen, und liegt da wie ein
lächelnder Engel, ohne daß es ihr eine Thräne oder
mir nur ein Wort gekoſtet, ſie zum Schlafen zu
bringen. Lebe wohl, die Reiſeanſtalten fordern

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[303/0311] Seraphine hat das mit faſt allen lebhaften Kindern gemein, daß ſie Abends ungern zu Bette geht; an- fangs dacht ich ſie ſo lange aufbleiben zu laſſen, bis ſie von ſelbſt zu Bette verlangte. Aber dies Verlangen kam gar nicht: ſie wollte immer mit uns aufbleiben, und dann war ſie ſo ausgelaſſen froh, und meiſtens ſo exaltirt, daß ſie auch die Nacht nicht ſchlafen konnte, und nicht ſelten auch uns um den Schlaf brachte. Und darauf folgte ganz natürlich ein verdrießlicher Tag. Jch beſchloß alſo, ſie regelmäßig jeden Abend um 7 Uhr ſchlafen zu legen. Wenn ich ihr nun vorbereitend ſagte: Seraphine, nun gehſt Du bald zu Bette; ſo legte ſie ſich aufs Bitten oder aufs Weinen. Seitdem mache ich es anders. Jch laſſe ſie bis kurz vor 7 Uhr luſtig herumſpielen. Wenn es ſchlägt, ſtehe ich ſchnell auf, nehme ſie bei der Hand, fordere ſie auf, den andern gute Nacht zu ſagen, und führe ſie hinauf ins Schlafzimmer. Jn wenigen Mi- nuten iſt ſie eingeſchlafen, und liegt da wie ein lächelnder Engel, ohne daß es ihr eine Thräne oder mir nur ein Wort gekoſtet, ſie zum Schlafen zu bringen. Lebe wohl, die Reiſeanſtalten fordern

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 303. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/311>, abgerufen am 22.11.2024.