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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807.

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man nicht sorgsam genug seyn kann, ihn zu erhal-
ten, so lange dieser geflügelte Genius der Kind-
heit nur immer die Züge seines Paradiesesantlitzes
bewahrt. Nur der später erscheinende Stiefbruder
dieses kleinen Paradiesengels, der sich da einstellt,
wo die Jugend vom Baume schädlicher Erkenntniß
schon gekostet, und der mit der Vernunft um die
Herrschaft ringt und streitet, bis er ihr das Szep-
ter entwunden, der ist es, gegen den die spätere
Erziehung sich vergebens waffnet, wenn die frü-
here ihm den Eingang nicht unmöglich gemacht
hat. Dieser konnte einmal bei uns keine Herberge
finden. Jn fröhlichen Spielen hatten die Kleinen
ihre Kindheit vergaukelt. Die Vernunft war
durch keine Treibhauskräfte früh herausgelockt,
und als ihre Zeit kam, freuten sie sich dieses
neuen Vermögens viel zu sehr, als daß sie mit
ihrem Erbfeinde, dem verderblichen Leichtsinne
auch noch hätten Traktaten schließen mögen, oder
sich gegen die Vernunft irgend einen Vorbehalt
ausbedingen. Hertha freilich, die später zu uns
kam, brachte einen starken Vorrath von Ausflüch-
ten und Einwendungen gegen sie mit, und die



man nicht ſorgſam genug ſeyn kann, ihn zu erhal-
ten, ſo lange dieſer geflügelte Genius der Kind-
heit nur immer die Züge ſeines Paradieſesantlitzes
bewahrt. Nur der ſpäter erſcheinende Stiefbruder
dieſes kleinen Paradiesengels, der ſich da einſtellt,
wo die Jugend vom Baume ſchädlicher Erkenntniß
ſchon gekoſtet, und der mit der Vernunft um die
Herrſchaft ringt und ſtreitet, bis er ihr das Szep-
ter entwunden, der iſt es, gegen den die ſpätere
Erziehung ſich vergebens waffnet, wenn die frü-
here ihm den Eingang nicht unmöglich gemacht
hat. Dieſer konnte einmal bei uns keine Herberge
finden. Jn fröhlichen Spielen hatten die Kleinen
ihre Kindheit vergaukelt. Die Vernunft war
durch keine Treibhauskräfte früh herausgelockt,
und als ihre Zeit kam, freuten ſie ſich dieſes
neuen Vermögens viel zu ſehr, als daß ſie mit
ihrem Erbfeinde, dem verderblichen Leichtſinne
auch noch hätten Traktaten ſchließen mögen, oder
ſich gegen die Vernunft irgend einen Vorbehalt
ausbedingen. Hertha freilich, die ſpäter zu uns
kam, brachte einen ſtarken Vorrath von Ausflüch-
ten und Einwendungen gegen ſie mit, und die

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[280/0288] man nicht ſorgſam genug ſeyn kann, ihn zu erhal- ten, ſo lange dieſer geflügelte Genius der Kind- heit nur immer die Züge ſeines Paradieſesantlitzes bewahrt. Nur der ſpäter erſcheinende Stiefbruder dieſes kleinen Paradiesengels, der ſich da einſtellt, wo die Jugend vom Baume ſchädlicher Erkenntniß ſchon gekoſtet, und der mit der Vernunft um die Herrſchaft ringt und ſtreitet, bis er ihr das Szep- ter entwunden, der iſt es, gegen den die ſpätere Erziehung ſich vergebens waffnet, wenn die frü- here ihm den Eingang nicht unmöglich gemacht hat. Dieſer konnte einmal bei uns keine Herberge finden. Jn fröhlichen Spielen hatten die Kleinen ihre Kindheit vergaukelt. Die Vernunft war durch keine Treibhauskräfte früh herausgelockt, und als ihre Zeit kam, freuten ſie ſich dieſes neuen Vermögens viel zu ſehr, als daß ſie mit ihrem Erbfeinde, dem verderblichen Leichtſinne auch noch hätten Traktaten ſchließen mögen, oder ſich gegen die Vernunft irgend einen Vorbehalt ausbedingen. Hertha freilich, die ſpäter zu uns kam, brachte einen ſtarken Vorrath von Ausflüch- ten und Einwendungen gegen ſie mit, und die

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/288>, abgerufen am 22.11.2024.