Viel leichter lebt es sich, selbst neben einem ge- trübten Gemüthe, als mit einem unsteten voll lau- nenhaften Aprilwetters. So lange ein launen- haftes Weib schön und jung und vergöttert ist, werden von ihren berauschten Verehrern diese ne- gativen Liebenswürdigkeiten oft zu den positiven gerechnet, aber auch nur von diesen. Die übrige Welt rechnet anders, und die Hausgenossen alle wissen es, wie herrschende Launen den schönen Le- bensfrieden selbst in der heitersten Seele befehden, bis sie ihn endlich überwältigt.
Die Wurzel ist keine andere als Egoismus, stamme der nun aus Kränklichkeit oder woher es sonst sey. Nicht selten ist diese der Boden für mancherlei schädliches Unkraut. Du weißt, beste Emma, daß Deine Freundin so glücklich war, ihr Völklein fast immer gesund zu erhalten. Unsere früh begonnene und nie unterbrochene einfache Lebensweise hat ihrem Körper seine Entwickelungsperioden leicht ge- macht, indem sie alles Widerwärtige fern hielt, und sie leicht über alle bedenkliche
Viel leichter lebt es ſich, ſelbſt neben einem ge- trübten Gemüthe, als mit einem unſteten voll lau- nenhaften Aprilwetters. So lange ein launen- haftes Weib ſchön und jung und vergöttert iſt, werden von ihren berauſchten Verehrern dieſe ne- gativen Liebenswürdigkeiten oft zu den poſitiven gerechnet, aber auch nur von dieſen. Die übrige Welt rechnet anders, und die Hausgenoſſen alle wiſſen es, wie herrſchende Launen den ſchönen Le- bensfrieden ſelbſt in der heiterſten Seele befehden, bis ſie ihn endlich überwältigt.
Die Wurzel iſt keine andere als Egoismus, ſtamme der nun aus Kränklichkeit oder woher es ſonſt ſey. Nicht ſelten iſt dieſe der Boden für mancherlei ſchädliches Unkraut. Du weißt, beſte Emma, daß Deine Freundin ſo glücklich war, ihr Völklein faſt immer geſund zu erhalten. Unſere früh begonnene und nie unterbrochene einfache Lebensweiſe hat ihrem Körper ſeine Entwickelungsperioden leicht ge- macht, indem ſie alles Widerwärtige fern hielt, und ſie leicht über alle bedenkliche
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Viel leichter lebt es ſich, ſelbſt neben einem ge-
trübten Gemüthe, als mit einem unſteten voll lau-
nenhaften Aprilwetters. So lange ein launen-
haftes Weib ſchön und jung und vergöttert iſt,
werden von ihren berauſchten Verehrern dieſe ne-
gativen Liebenswürdigkeiten oft zu den poſitiven
gerechnet, aber auch nur von dieſen. Die übrige
Welt rechnet anders, und die Hausgenoſſen alle
wiſſen es, wie herrſchende Launen den ſchönen Le-
bensfrieden ſelbſt in der heiterſten Seele befehden,
bis ſie ihn endlich überwältigt.
Die Wurzel iſt keine andere als Egoismus,
ſtamme der nun aus Kränklichkeit oder woher es
ſonſt ſey. Nicht ſelten iſt dieſe der Boden für
mancherlei ſchädliches Unkraut. Du weißt, beſte
Emma, daß Deine Freundin ſo glücklich war, ihr
Völklein faſt immer geſund zu erhalten. Unſere
früh begonnene und nie unterbrochene
einfache Lebensweiſe hat ihrem Körper
ſeine Entwickelungsperioden leicht ge-
macht, indem ſie alles Widerwärtige fern
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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/286>, abgerufen am 24.07.2024.
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