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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807.

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heraus. Gerne, liebe Hertha, will ich es glau-
ben, wenn Du mir nur einigermaßen begreiflich
machen willst, wie Du es glauben magst, daß der
Gehenkte, dessen Körper unter der Erde liegt, sich
den Reisenden anhänge, und mit welchem Organ
er sie auszische, da alle seine irdischen Organe sich
auflösen, in Staub und Moder. Aber die ehrliche
Walpurga (der Name der Bäuerin) wollte der
Schwester doch gewiß nichts weis machen. Das
glaube ich auch, Hertha. Aber wenn Walpurga, die
nicht französisch versteht, ein französisches Buch
über die Naturgeschichte fände, und ein loser
Schalk ihr weis machte, es sey ein arabisches Zau-
berbuch -- meinst Du nicht, daß sie es glauben
würde, wenn er es ihr recht wahrscheinlich machte?
O ja, Tante. Und warum? weil sie gar nichts
von der wirklichen Sprache des Buchs versteht.
Aber wenn sie Dir nun das Buch brächte, mit der
Versicherung, es sey ein arabisches Zauberbuch, in
dem gar wunderbare Dinge stehen, würdest Du es
ihr glauben? Nein, Tante! das würde ich nicht,
denn ich verstehe ja Französisch und könnte sogleich
sehen was darin steht. Wenn sie Dir aber wirklich

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heraus. Gerne, liebe Hertha, will ich es glau-
ben, wenn Du mir nur einigermaßen begreiflich
machen willſt, wie Du es glauben magſt, daß der
Gehenkte, deſſen Körper unter der Erde liegt, ſich
den Reiſenden anhänge, und mit welchem Organ
er ſie ausziſche, da alle ſeine irdiſchen Organe ſich
auflöſen, in Staub und Moder. Aber die ehrliche
Walpurga (der Name der Bäuerin) wollte der
Schweſter doch gewiß nichts weis machen. Das
glaube ich auch, Hertha. Aber wenn Walpurga, die
nicht franzöſiſch verſteht, ein franzöſiſches Buch
über die Naturgeſchichte fände, und ein loſer
Schalk ihr weis machte, es ſey ein arabiſches Zau-
berbuch — meinſt Du nicht, daß ſie es glauben
würde, wenn er es ihr recht wahrſcheinlich machte?
O ja, Tante. Und warum? weil ſie gar nichts
von der wirklichen Sprache des Buchs verſteht.
Aber wenn ſie Dir nun das Buch brächte, mit der
Verſicherung, es ſey ein arabiſches Zauberbuch, in
dem gar wunderbare Dinge ſtehen, würdeſt Du es
ihr glauben? Nein, Tante! das würde ich nicht,
denn ich verſtehe ja Franzöſiſch und könnte ſogleich
ſehen was darin ſteht. Wenn ſie Dir aber wirklich

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[217/0225] heraus. Gerne, liebe Hertha, will ich es glau- ben, wenn Du mir nur einigermaßen begreiflich machen willſt, wie Du es glauben magſt, daß der Gehenkte, deſſen Körper unter der Erde liegt, ſich den Reiſenden anhänge, und mit welchem Organ er ſie ausziſche, da alle ſeine irdiſchen Organe ſich auflöſen, in Staub und Moder. Aber die ehrliche Walpurga (der Name der Bäuerin) wollte der Schweſter doch gewiß nichts weis machen. Das glaube ich auch, Hertha. Aber wenn Walpurga, die nicht franzöſiſch verſteht, ein franzöſiſches Buch über die Naturgeſchichte fände, und ein loſer Schalk ihr weis machte, es ſey ein arabiſches Zau- berbuch — meinſt Du nicht, daß ſie es glauben würde, wenn er es ihr recht wahrſcheinlich machte? O ja, Tante. Und warum? weil ſie gar nichts von der wirklichen Sprache des Buchs verſteht. Aber wenn ſie Dir nun das Buch brächte, mit der Verſicherung, es ſey ein arabiſches Zauberbuch, in dem gar wunderbare Dinge ſtehen, würdeſt Du es ihr glauben? Nein, Tante! das würde ich nicht, denn ich verſtehe ja Franzöſiſch und könnte ſogleich ſehen was darin ſteht. Wenn ſie Dir aber wirklich (28)

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/225>, abgerufen am 24.11.2024.