Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807.Gegend, hält mich auch noch eine Rücksicht auf das Kind, das ich seinem Geburtslande nicht gern früh entreißen möchte. Sie muß es erst lieben lernen. Und vielleicht können wir uns hier alle vereinen. O möchte das möglich seyn! Von Wol- demar und Platov wirst Du aus Rom Nachricht erhalten haben. Auch sind sie Dir jetzt vielleicht näher als uns. Unsere letzten Briefe von ihnen waren aus Rom datirt, wo sie sich ganz über die Maßen wohl fühlten. Doch ist Betty's Anden- ken bei Woldemar keinesweges erloschen, wie Dein Gemahl vermuthet. Und Betty's stille fortwäh- rende Schwermuth läßt nur gar zu leicht errathen, was sie allen, selbst dem Vater so geflissentlich zu verbergen bemühet ist. Der Vater schreibt mir sehr besorgt über die Tochter. Jm nächsten Früh- linge denkt er mit ihr die Reise hieher zu machen, um seine muntere Cläre heimzuholen, an der die Schwester sich wieder aufrichten soll. Die Tren- nung von dieser reinen höchst gutartigen Natur wird uns allen schwer ankommen. Besonders ihr selbst und Jda, die sehr eng mit einander verbun- den sind. -- Alle viere wetteifern jetzt, Seraphi- Gegend, hält mich auch noch eine Rückſicht auf das Kind, das ich ſeinem Geburtslande nicht gern früh entreißen möchte. Sie muß es erſt lieben lernen. Und vielleicht können wir uns hier alle vereinen. O möchte das möglich ſeyn! Von Wol- demar und Platov wirſt Du aus Rom Nachricht erhalten haben. Auch ſind ſie Dir jetzt vielleicht näher als uns. Unſere letzten Briefe von ihnen waren aus Rom datirt, wo ſie ſich ganz über die Maßen wohl fühlten. Doch iſt Betty’s Anden- ken bei Woldemar keinesweges erloſchen, wie Dein Gemahl vermuthet. Und Betty’s ſtille fortwäh- rende Schwermuth läßt nur gar zu leicht errathen, was ſie allen, ſelbſt dem Vater ſo gefliſſentlich zu verbergen bemühet iſt. Der Vater ſchreibt mir ſehr beſorgt über die Tochter. Jm nächſten Früh- linge denkt er mit ihr die Reiſe hieher zu machen, um ſeine muntere Cläre heimzuholen, an der die Schweſter ſich wieder aufrichten ſoll. Die Tren- nung von dieſer reinen höchſt gutartigen Natur wird uns allen ſchwer ankommen. Beſonders ihr ſelbſt und Jda, die ſehr eng mit einander verbun- den ſind. — Alle viere wetteifern jetzt, Seraphi- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0216" n="208"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> Gegend, hält mich auch noch eine Rückſicht auf<lb/> das Kind, das ich ſeinem Geburtslande nicht gern<lb/> früh entreißen möchte. Sie muß es erſt lieben<lb/> lernen. Und vielleicht können wir uns hier alle<lb/> vereinen. O möchte das möglich ſeyn! Von Wol-<lb/> demar und Platov wirſt Du aus Rom Nachricht<lb/> erhalten haben. Auch ſind ſie Dir jetzt vielleicht<lb/> näher als uns. Unſere letzten Briefe von ihnen<lb/> waren aus Rom datirt, wo ſie ſich ganz über die<lb/> Maßen wohl fühlten. Doch iſt Betty’s Anden-<lb/> ken bei Woldemar keinesweges erloſchen, wie Dein<lb/> Gemahl vermuthet. Und Betty’s ſtille fortwäh-<lb/> rende Schwermuth läßt nur gar zu leicht errathen,<lb/> was ſie allen, ſelbſt dem Vater ſo gefliſſentlich zu<lb/> verbergen bemühet iſt. Der Vater ſchreibt mir<lb/> ſehr beſorgt über die Tochter. Jm nächſten Früh-<lb/> linge denkt er mit ihr die Reiſe hieher zu machen,<lb/> um ſeine muntere Cläre heimzuholen, an der die<lb/> Schweſter ſich wieder aufrichten ſoll. Die Tren-<lb/> nung von dieſer reinen höchſt gutartigen Natur<lb/> wird uns allen ſchwer ankommen. Beſonders ihr<lb/> ſelbſt und Jda, die ſehr eng mit einander verbun-<lb/> den ſind. — Alle viere wetteifern jetzt, Seraphi-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [208/0216]
Gegend, hält mich auch noch eine Rückſicht auf
das Kind, das ich ſeinem Geburtslande nicht gern
früh entreißen möchte. Sie muß es erſt lieben
lernen. Und vielleicht können wir uns hier alle
vereinen. O möchte das möglich ſeyn! Von Wol-
demar und Platov wirſt Du aus Rom Nachricht
erhalten haben. Auch ſind ſie Dir jetzt vielleicht
näher als uns. Unſere letzten Briefe von ihnen
waren aus Rom datirt, wo ſie ſich ganz über die
Maßen wohl fühlten. Doch iſt Betty’s Anden-
ken bei Woldemar keinesweges erloſchen, wie Dein
Gemahl vermuthet. Und Betty’s ſtille fortwäh-
rende Schwermuth läßt nur gar zu leicht errathen,
was ſie allen, ſelbſt dem Vater ſo gefliſſentlich zu
verbergen bemühet iſt. Der Vater ſchreibt mir
ſehr beſorgt über die Tochter. Jm nächſten Früh-
linge denkt er mit ihr die Reiſe hieher zu machen,
um ſeine muntere Cläre heimzuholen, an der die
Schweſter ſich wieder aufrichten ſoll. Die Tren-
nung von dieſer reinen höchſt gutartigen Natur
wird uns allen ſchwer ankommen. Beſonders ihr
ſelbſt und Jda, die ſehr eng mit einander verbun-
den ſind. — Alle viere wetteifern jetzt, Seraphi-
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