Du wirst eine wahre Freude haben, wenn Du der Kinder Briefe an den Woldemar einst siehst. Jda's erster Brief von hier aus lautet so:
"Woldemar, Du bester Woldemar, wir sind wieder hier bei unsern herrlichen Willichs. Und der Pfarrer hat Jda wieder lieb, und Frau Pfar- rerin Deborah hat Jda auch wieder lieb. Wenn wir hier sind, so kann ich es nicht begreifen, wie man es in der Stadt nur aushalten mag. Oft denke ich, wir sind hier allzuglücklich. Und Clärchen nun vollends, die meynt, es müsse irgend ein Un- glück drein kommen, weil man es so doch nicht lange aushalten könne. Und Betty ist recht schön geworden, oft sieht sie aus, wie ein gemalter En- gel. Jch habe einmal einen gesehen, der so glück- lich aussah, und so fromm, er hält einen Palm- zweig in der Hand, und sagt einer schönen Jung- frau, daß Gott sie sehr besonders lieb habe. Ge- rade so kann Betty bisweilen aussehen. Aber hier sehen die Menschen alle schöner aus als in der Stadt. Und Du, lieber Woldemar, bist Du denn auch recht vergnügt? Wenn Du wieder
Du wirſt eine wahre Freude haben, wenn Du der Kinder Briefe an den Woldemar einſt ſiehſt. Jda’s erſter Brief von hier aus lautet ſo:
„Woldemar, Du beſter Woldemar, wir ſind wieder hier bei unſern herrlichen Willichs. Und der Pfarrer hat Jda wieder lieb, und Frau Pfar- rerin Deborah hat Jda auch wieder lieb. Wenn wir hier ſind, ſo kann ich es nicht begreifen, wie man es in der Stadt nur aushalten mag. Oft denke ich, wir ſind hier allzuglücklich. Und Clärchen nun vollends, die meynt, es müſſe irgend ein Un- glück drein kommen, weil man es ſo doch nicht lange aushalten könne. Und Betty iſt recht ſchön geworden, oft ſieht ſie aus, wie ein gemalter En- gel. Jch habe einmal einen geſehen, der ſo glück- lich ausſah, und ſo fromm, er hält einen Palm- zweig in der Hand, und ſagt einer ſchönen Jung- frau, daß Gott ſie ſehr beſonders lieb habe. Ge- rade ſo kann Betty bisweilen ausſehen. Aber hier ſehen die Menſchen alle ſchöner aus als in der Stadt. Und Du, lieber Woldemar, biſt Du denn auch recht vergnügt? Wenn Du wieder
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0021"n="13"/><p>Du wirſt eine wahre Freude haben, wenn Du<lb/>
der Kinder Briefe an den Woldemar einſt ſiehſt.<lb/>
Jda’s erſter Brief von hier aus lautet ſo:</p><lb/><p>„Woldemar, Du beſter Woldemar, wir ſind<lb/>
wieder hier bei unſern herrlichen Willichs. Und<lb/>
der Pfarrer hat Jda wieder lieb, und Frau Pfar-<lb/>
rerin Deborah hat Jda auch wieder lieb. Wenn<lb/>
wir hier ſind, ſo kann ich es nicht begreifen, wie<lb/>
man es in der Stadt nur aushalten mag. Oft<lb/>
denke ich, wir ſind hier allzuglücklich. Und Clärchen<lb/>
nun vollends, die meynt, es müſſe irgend ein Un-<lb/>
glück drein kommen, weil man es ſo doch nicht<lb/>
lange aushalten könne. Und Betty iſt recht ſchön<lb/>
geworden, oft ſieht ſie aus, wie ein gemalter En-<lb/>
gel. Jch habe einmal einen geſehen, der ſo glück-<lb/>
lich ausſah, und ſo fromm, er hält einen Palm-<lb/>
zweig in der Hand, und ſagt einer ſchönen Jung-<lb/>
frau, daß Gott ſie ſehr beſonders lieb habe. Ge-<lb/>
rade ſo kann Betty bisweilen ausſehen. Aber<lb/>
hier ſehen die Menſchen alle ſchöner aus als in<lb/>
der Stadt. Und Du, lieber Woldemar, biſt Du<lb/>
denn auch recht vergnügt? Wenn Du wieder<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[13/0021]
Du wirſt eine wahre Freude haben, wenn Du
der Kinder Briefe an den Woldemar einſt ſiehſt.
Jda’s erſter Brief von hier aus lautet ſo:
„Woldemar, Du beſter Woldemar, wir ſind
wieder hier bei unſern herrlichen Willichs. Und
der Pfarrer hat Jda wieder lieb, und Frau Pfar-
rerin Deborah hat Jda auch wieder lieb. Wenn
wir hier ſind, ſo kann ich es nicht begreifen, wie
man es in der Stadt nur aushalten mag. Oft
denke ich, wir ſind hier allzuglücklich. Und Clärchen
nun vollends, die meynt, es müſſe irgend ein Un-
glück drein kommen, weil man es ſo doch nicht
lange aushalten könne. Und Betty iſt recht ſchön
geworden, oft ſieht ſie aus, wie ein gemalter En-
gel. Jch habe einmal einen geſehen, der ſo glück-
lich ausſah, und ſo fromm, er hält einen Palm-
zweig in der Hand, und ſagt einer ſchönen Jung-
frau, daß Gott ſie ſehr beſonders lieb habe. Ge-
rade ſo kann Betty bisweilen ausſehen. Aber
hier ſehen die Menſchen alle ſchöner aus als in
der Stadt. Und Du, lieber Woldemar, biſt Du
denn auch recht vergnügt? Wenn Du wieder
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/21>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.