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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807.

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Dir gebracht wird, sind frische grünende Oelblät-
ter des schönern Geisteslebens. Du also kennst
die Migraine nicht, die sich Deine Freundin oft
angelesen, wenn sie zu halben Tagen und Nächten
das traurige Gewäsch durchsuchte, was man für
große und kleine Kinder zusammenschreibt, um
etwas nur etwas brauchbares für unser Häuf-
lein heraus zu fischen. Da ward ich denn mit mir
eins, diesen Tand ruhen zu lassen, den Verstand
unserer Kinder mit anschauender Sachkenntniß zu
nähren, ihr Herz still an der Natur und an der
heiligen Liebe erwärmen zu lassen, und ihre Phan-
tasie durch wirkliche Meisterwerke belebend anzu-
hauchen.

Wie dies über alle meine Erwartung gelingt,
davon scheinen die Briefe der Kinder schon eine
Vorahnung zu geben. Aber willst Du es ganz
wissen; ich darf getrost sagen: komme, und siehe!
Ein unbefangneres Urtheil, eine zarter blühende
Phantasie, und eine größere Jnnigkeit der Liebe,
mußt Du noch bei keinem 15jährigen Mädchen ge-
sehen haben, wie bei Deiner Jda. Komme und
siehe! du glückliche Mutter.

Dir gebracht wird, ſind friſche grünende Oelblät-
ter des ſchönern Geiſteslebens. Du alſo kennſt
die Migraine nicht, die ſich Deine Freundin oft
angeleſen, wenn ſie zu halben Tagen und Nächten
das traurige Gewäſch durchſuchte, was man für
große und kleine Kinder zuſammenſchreibt, um
etwas nur etwas brauchbares für unſer Häuf-
lein heraus zu fiſchen. Da ward ich denn mit mir
eins, dieſen Tand ruhen zu laſſen, den Verſtand
unſerer Kinder mit anſchauender Sachkenntniß zu
nähren, ihr Herz ſtill an der Natur und an der
heiligen Liebe erwärmen zu laſſen, und ihre Phan-
taſie durch wirkliche Meiſterwerke belebend anzu-
hauchen.

Wie dies über alle meine Erwartung gelingt,
davon ſcheinen die Briefe der Kinder ſchon eine
Vorahnung zu geben. Aber willſt Du es ganz
wiſſen; ich darf getroſt ſagen: komme, und ſiehe!
Ein unbefangneres Urtheil, eine zarter blühende
Phantaſie, und eine größere Jnnigkeit der Liebe,
mußt Du noch bei keinem 15jährigen Mädchen ge-
ſehen haben, wie bei Deiner Jda. Komme und
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[171/0179] Dir gebracht wird, ſind friſche grünende Oelblät- ter des ſchönern Geiſteslebens. Du alſo kennſt die Migraine nicht, die ſich Deine Freundin oft angeleſen, wenn ſie zu halben Tagen und Nächten das traurige Gewäſch durchſuchte, was man für große und kleine Kinder zuſammenſchreibt, um etwas nur etwas brauchbares für unſer Häuf- lein heraus zu fiſchen. Da ward ich denn mit mir eins, dieſen Tand ruhen zu laſſen, den Verſtand unſerer Kinder mit anſchauender Sachkenntniß zu nähren, ihr Herz ſtill an der Natur und an der heiligen Liebe erwärmen zu laſſen, und ihre Phan- taſie durch wirkliche Meiſterwerke belebend anzu- hauchen. Wie dies über alle meine Erwartung gelingt, davon ſcheinen die Briefe der Kinder ſchon eine Vorahnung zu geben. Aber willſt Du es ganz wiſſen; ich darf getroſt ſagen: komme, und ſiehe! Ein unbefangneres Urtheil, eine zarter blühende Phantaſie, und eine größere Jnnigkeit der Liebe, mußt Du noch bei keinem 15jährigen Mädchen ge- ſehen haben, wie bei Deiner Jda. Komme und ſiehe! du glückliche Mutter.

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/179>, abgerufen am 21.11.2024.