und darum umgibt sie den Fähnrich beständig -- "und darum soll auch Hertha ihn nicht neckisch anse- hen, und wenn er ein auch so lächerliches Närr- chen wäre. Nicht wahr Tante?" Ja, Hertha, ich fodre von Dir, daß Dir die Schwesterliebe ei- ner andern heilig sey -- und daß Du mit Deinem losgelaßnen Muthwillen nie mehr die Freude ei- nes schönen Herzens trübst. Denke nur, wie sehnlich und wie lange Mathilde sich auf diese Tage schon voraus gefreut hat! und wolltest Du der Kobold seyn, der sie schadenfroh störte? Nein gewiß nicht, Tante, verlaß Dich auf Hertha. Aber Tante, warum könnens denn die Schwestern so gar nicht vertragen, daß der Bruder im mindesten an- gefochten werde? Das hat außer der schönen Schwe- sterliebe wohl noch einen besondern Grund, liebe Hertha. O welchen? -- Als einst in Birkenfeld ein stößiger Stier auf Dich zu kam, und Du ganz außer Dir warst vor Entsetzen -- zu wem rann- test Du? und wer schwang Dich über die Mauer in den Garten, und wehrte mit seinem Hirschfän- ger den Stier ab? Es war Bruno, bei dem Du Schutz suchtest und fandest. Und wer riß Dich
und darum umgibt ſie den Fähnrich beſtändig — „und darum ſoll auch Hertha ihn nicht neckiſch anſe- hen, und wenn er ein auch ſo lächerliches Närr- chen wäre. Nicht wahr Tante?‟ Ja, Hertha, ich fodre von Dir, daß Dir die Schweſterliebe ei- ner andern heilig ſey — und daß Du mit Deinem losgelaßnen Muthwillen nie mehr die Freude ei- nes ſchönen Herzens trübſt. Denke nur, wie ſehnlich und wie lange Mathilde ſich auf dieſe Tage ſchon voraus gefreut hat! und wollteſt Du der Kobold ſeyn, der ſie ſchadenfroh ſtörte? Nein gewiß nicht, Tante, verlaß Dich auf Hertha. Aber Tante, warum könnens denn die Schweſtern ſo gar nicht vertragen, daß der Bruder im mindeſten an- gefochten werde? Das hat außer der ſchönen Schwe- ſterliebe wohl noch einen beſondern Grund, liebe Hertha. O welchen? — Als einſt in Birkenfeld ein ſtößiger Stier auf Dich zu kam, und Du ganz außer Dir warſt vor Entſetzen — zu wem rann- teſt Du? und wer ſchwang Dich über die Mauer in den Garten, und wehrte mit ſeinem Hirſchfän- ger den Stier ab? Es war Bruno, bei dem Du Schutz ſuchteſt und fandeſt. Und wer riß Dich
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0173"n="165"/>
und darum umgibt ſie den Fähnrich beſtändig —<lb/>„und darum ſoll auch Hertha ihn nicht neckiſch anſe-<lb/>
hen, und wenn er ein auch ſo lächerliches Närr-<lb/>
chen wäre. Nicht wahr Tante?‟ Ja, Hertha,<lb/>
ich fodre von Dir, daß Dir die Schweſterliebe ei-<lb/>
ner andern heilig ſey — und daß Du mit Deinem<lb/>
losgelaßnen Muthwillen nie mehr die Freude ei-<lb/>
nes ſchönen Herzens trübſt. Denke nur, wie<lb/>ſehnlich und wie lange Mathilde ſich auf dieſe<lb/>
Tage ſchon voraus gefreut hat! und wollteſt Du<lb/>
der Kobold ſeyn, der ſie ſchadenfroh ſtörte? Nein<lb/>
gewiß nicht, Tante, verlaß Dich auf Hertha. Aber<lb/>
Tante, warum könnens denn die Schweſtern ſo gar<lb/>
nicht vertragen, daß der Bruder im mindeſten an-<lb/>
gefochten werde? Das hat außer der ſchönen Schwe-<lb/>ſterliebe wohl noch einen beſondern Grund, liebe<lb/>
Hertha. O welchen? — Als einſt in Birkenfeld ein<lb/>ſtößiger Stier auf Dich zu kam, und Du ganz<lb/>
außer Dir warſt vor Entſetzen — zu wem rann-<lb/>
teſt Du? und wer ſchwang Dich über die Mauer<lb/>
in den Garten, und wehrte mit ſeinem Hirſchfän-<lb/>
ger den Stier ab? Es war Bruno, bei dem Du<lb/>
Schutz ſuchteſt und fandeſt. Und wer riß Dich<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[165/0173]
und darum umgibt ſie den Fähnrich beſtändig —
„und darum ſoll auch Hertha ihn nicht neckiſch anſe-
hen, und wenn er ein auch ſo lächerliches Närr-
chen wäre. Nicht wahr Tante?‟ Ja, Hertha,
ich fodre von Dir, daß Dir die Schweſterliebe ei-
ner andern heilig ſey — und daß Du mit Deinem
losgelaßnen Muthwillen nie mehr die Freude ei-
nes ſchönen Herzens trübſt. Denke nur, wie
ſehnlich und wie lange Mathilde ſich auf dieſe
Tage ſchon voraus gefreut hat! und wollteſt Du
der Kobold ſeyn, der ſie ſchadenfroh ſtörte? Nein
gewiß nicht, Tante, verlaß Dich auf Hertha. Aber
Tante, warum könnens denn die Schweſtern ſo gar
nicht vertragen, daß der Bruder im mindeſten an-
gefochten werde? Das hat außer der ſchönen Schwe-
ſterliebe wohl noch einen beſondern Grund, liebe
Hertha. O welchen? — Als einſt in Birkenfeld ein
ſtößiger Stier auf Dich zu kam, und Du ganz
außer Dir warſt vor Entſetzen — zu wem rann-
teſt Du? und wer ſchwang Dich über die Mauer
in den Garten, und wehrte mit ſeinem Hirſchfän-
ger den Stier ab? Es war Bruno, bei dem Du
Schutz ſuchteſt und fandeſt. Und wer riß Dich
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/173>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.