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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807.

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strömt es fort, wenn ihre Schleußen einmal auf-
gezogen sind; und alle in der Gesellschaft haben
den kleinen Arlekino gerne, und lassen ihr alles
durchgehen. Jhre immer wachsende Gutmüthig-
keit söhnt den sanfteren Bruno immer wieder mit
ihr aus, der über ihren Muthwillen leicht unge-
duldig werden könnte. Aber, Hertha, sagte er
kürzlich einmal, als sie ausgelassen lustig und
neckisch war, warum haben wir alle die Jda so
lieb? ist es Dir denn gar nicht möglich, Dich nach
ihr zu bilden? und was antwortete sie? "Neulich
sagte ich zum Rohrsperling am See, als wir vor-
übergingen, es wäre doch sehr ungezogen von ihm,
daß er keine Nachtigall wäre, und nicht wenigstens
wie die Nachtigall sänge, die wir doch alle viel lie-
ber hätten, als ihn -- aber er flog und gaukelte
immer um mich herum, ich wollt' ihn haschen und
ihm das Schnäbelchen zubinden, aber er kroch tie-
fer ins Schilf und schrie heraus: Aeffchen, Aeffchen,
komm zu mir! Aeffchen, komme nicht zu Dir!
Bruder, ich wollte Du wärest ein Schwan, und
schifftest gravitätisch auf dem See herum, und ich
wäre der Rohrsperling, dann gaukelte ich immer

ſtrömt es fort, wenn ihre Schleußen einmal auf-
gezogen ſind; und alle in der Geſellſchaft haben
den kleinen Arlekino gerne, und laſſen ihr alles
durchgehen. Jhre immer wachſende Gutmüthig-
keit ſöhnt den ſanfteren Bruno immer wieder mit
ihr aus, der über ihren Muthwillen leicht unge-
duldig werden könnte. Aber, Hertha, ſagte er
kürzlich einmal, als ſie ausgelaſſen luſtig und
neckiſch war, warum haben wir alle die Jda ſo
lieb? iſt es Dir denn gar nicht möglich, Dich nach
ihr zu bilden? und was antwortete ſie? „Neulich
ſagte ich zum Rohrſperling am See, als wir vor-
übergingen, es wäre doch ſehr ungezogen von ihm,
daß er keine Nachtigall wäre, und nicht wenigſtens
wie die Nachtigall ſänge, die wir doch alle viel lie-
ber hätten, als ihn — aber er flog und gaukelte
immer um mich herum, ich wollt’ ihn haſchen und
ihm das Schnäbelchen zubinden, aber er kroch tie-
fer ins Schilf und ſchrie heraus: Aeffchen, Aeffchen,
komm zu mir! Aeffchen, komme nicht zu Dir!
Bruder, ich wollte Du wäreſt ein Schwan, und
ſchiffteſt gravitätiſch auf dem See herum, und ich
wäre der Rohrſperling, dann gaukelte ich immer

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[156/0164] ſtrömt es fort, wenn ihre Schleußen einmal auf- gezogen ſind; und alle in der Geſellſchaft haben den kleinen Arlekino gerne, und laſſen ihr alles durchgehen. Jhre immer wachſende Gutmüthig- keit ſöhnt den ſanfteren Bruno immer wieder mit ihr aus, der über ihren Muthwillen leicht unge- duldig werden könnte. Aber, Hertha, ſagte er kürzlich einmal, als ſie ausgelaſſen luſtig und neckiſch war, warum haben wir alle die Jda ſo lieb? iſt es Dir denn gar nicht möglich, Dich nach ihr zu bilden? und was antwortete ſie? „Neulich ſagte ich zum Rohrſperling am See, als wir vor- übergingen, es wäre doch ſehr ungezogen von ihm, daß er keine Nachtigall wäre, und nicht wenigſtens wie die Nachtigall ſänge, die wir doch alle viel lie- ber hätten, als ihn — aber er flog und gaukelte immer um mich herum, ich wollt’ ihn haſchen und ihm das Schnäbelchen zubinden, aber er kroch tie- fer ins Schilf und ſchrie heraus: Aeffchen, Aeffchen, komm zu mir! Aeffchen, komme nicht zu Dir! Bruder, ich wollte Du wäreſt ein Schwan, und ſchiffteſt gravitätiſch auf dem See herum, und ich wäre der Rohrſperling, dann gaukelte ich immer

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/164>, abgerufen am 21.11.2024.