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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807.

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ward ich auf eine gar liebe Art überrascht. Der
Pfarrer hatte nämlich in dem Fenster meines
Schreibekabinettchens, das dicht an mein Schlaf-
zimmer stoßt, eine Aeolsharfe eingespannt, wo-
mit er mir ein Geschenk machte.

Jch hatte ihn gebeten, mich mit Sonnenauf-
gang wecken zu lassen. Die Fenster gehen nach
der Morgenseite heraus. Kurz vor Sonnenauf-
gang erhob sich ein starker Luftzug, der die Harfe
in verschiedenen auf einander folgenden Bewegun-
gen berührte, und es entstand dieses Eingreifen
einer Tonfolge in die andere, die von einer drit-
ten und vierten eingeholt, begleitet und aufgelös't
ward, und mit einander in sanftem Vergehen ver-
schmolz -- ich erwachte -- aber die Vorempfin-
dung der Töne vor dem völligen Erwachen, ver-
mischt mit den wirklich gehörten, die in manich-
faltigen Modulationen immer noch fort und im-
mer wieder von neuem ertönten, gaben meinem
Morgentraum von einer andern Welt im ewigen
Frühlingsglanze eine Dauer von mehreren Mi-
nuten über den Schlaf hinaus, bis die Sonne

ward ich auf eine gar liebe Art überraſcht. Der
Pfarrer hatte nämlich in dem Fenſter meines
Schreibekabinettchens, das dicht an mein Schlaf-
zimmer ſtoßt, eine Aeolsharfe eingeſpannt, wo-
mit er mir ein Geſchenk machte.

Jch hatte ihn gebeten, mich mit Sonnenauf-
gang wecken zu laſſen. Die Fenſter gehen nach
der Morgenſeite heraus. Kurz vor Sonnenauf-
gang erhob ſich ein ſtarker Luftzug, der die Harfe
in verſchiedenen auf einander folgenden Bewegun-
gen berührte, und es entſtand dieſes Eingreifen
einer Tonfolge in die andere, die von einer drit-
ten und vierten eingeholt, begleitet und aufgelöſ’t
ward, und mit einander in ſanftem Vergehen ver-
ſchmolz — ich erwachte — aber die Vorempfin-
dung der Töne vor dem völligen Erwachen, ver-
miſcht mit den wirklich gehörten, die in manich-
faltigen Modulationen immer noch fort und im-
mer wieder von neuem ertönten, gaben meinem
Morgentraum von einer andern Welt im ewigen
Frühlingsglanze eine Dauer von mehreren Mi-
nuten über den Schlaf hinaus, bis die Sonne

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[7/0015] ward ich auf eine gar liebe Art überraſcht. Der Pfarrer hatte nämlich in dem Fenſter meines Schreibekabinettchens, das dicht an mein Schlaf- zimmer ſtoßt, eine Aeolsharfe eingeſpannt, wo- mit er mir ein Geſchenk machte. Jch hatte ihn gebeten, mich mit Sonnenauf- gang wecken zu laſſen. Die Fenſter gehen nach der Morgenſeite heraus. Kurz vor Sonnenauf- gang erhob ſich ein ſtarker Luftzug, der die Harfe in verſchiedenen auf einander folgenden Bewegun- gen berührte, und es entſtand dieſes Eingreifen einer Tonfolge in die andere, die von einer drit- ten und vierten eingeholt, begleitet und aufgelöſ’t ward, und mit einander in ſanftem Vergehen ver- ſchmolz — ich erwachte — aber die Vorempfin- dung der Töne vor dem völligen Erwachen, ver- miſcht mit den wirklich gehörten, die in manich- faltigen Modulationen immer noch fort und im- mer wieder von neuem ertönten, gaben meinem Morgentraum von einer andern Welt im ewigen Frühlingsglanze eine Dauer von mehreren Mi- nuten über den Schlaf hinaus, bis die Sonne

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/15>, abgerufen am 27.11.2024.