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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807.

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allem den Eindrücken nicht entgegen arbeite, die
die neue Kolonie vielleicht auf sie machen dürfte.
Denn das ist einmal gewiß, daß die gute Natur
im Menschen sich in diesen Jahren leicht wieder
emporarbeitet, wenn der Unnatur nicht etwa da-
durch Vorschub gegeben wird, daß die Eitelkeit
oder irgend eine andere Leidenschaft mit ihr in den
Bund tritt. Jn dieser Verbindung freilich wird
sie leicht unausrottbar. Man sage dem 13 -- 14
jährigen Zieräffchen, es sey durch seine lieblich
krausen Manieren die Bewunderung des ganzen
Kreises in dem es lebt, oder gar der ganzen Stadt,
und es wird sicher nicht unterlassen, seine schnippi-
schen Minen und Gebehrdungen nebst den sämmt-
lichen Kapriolen, die dazu gehören, täglich dem Spie-
gel zuzuschneiden. Man lehre das Mägdlein, das
gern die Rechte der Erwachsenen an sich reissen
wollte, daß es durch strenge Beobachtung der ge-
wohnten gesellschaftlichen Zeremonien um so viel
früher für voll gelten könne: diese Lehre wird da
sicher fruchten, wo nicht schon besserer Same em-
porgekommen und kräftig gediehen ist. Die gute
Elwire hörte mir sehr aufmerösam zu.

allem den Eindrücken nicht entgegen arbeite, die
die neue Kolonie vielleicht auf ſie machen dürfte.
Denn das iſt einmal gewiß, daß die gute Natur
im Menſchen ſich in dieſen Jahren leicht wieder
emporarbeitet, wenn der Unnatur nicht etwa da-
durch Vorſchub gegeben wird, daß die Eitelkeit
oder irgend eine andere Leidenſchaft mit ihr in den
Bund tritt. Jn dieſer Verbindung freilich wird
ſie leicht unausrottbar. Man ſage dem 13 — 14
jährigen Zieräffchen, es ſey durch ſeine lieblich
krauſen Manieren die Bewunderung des ganzen
Kreiſes in dem es lebt, oder gar der ganzen Stadt,
und es wird ſicher nicht unterlaſſen, ſeine ſchnippi-
ſchen Minen und Gebehrdungen nebſt den ſämmt-
lichen Kapriolen, die dazu gehören, täglich dem Spie-
gel zuzuſchneiden. Man lehre das Mägdlein, das
gern die Rechte der Erwachſenen an ſich reiſſen
wollte, daß es durch ſtrenge Beobachtung der ge-
wohnten geſellſchaftlichen Zeremonien um ſo viel
früher für voll gelten könne: dieſe Lehre wird da
ſicher fruchten, wo nicht ſchon beſſerer Same em-
porgekommen und kräftig gediehen iſt. Die gute
Elwire hörte mir ſehr aufmeröſam zu.

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[139/0147] allem den Eindrücken nicht entgegen arbeite, die die neue Kolonie vielleicht auf ſie machen dürfte. Denn das iſt einmal gewiß, daß die gute Natur im Menſchen ſich in dieſen Jahren leicht wieder emporarbeitet, wenn der Unnatur nicht etwa da- durch Vorſchub gegeben wird, daß die Eitelkeit oder irgend eine andere Leidenſchaft mit ihr in den Bund tritt. Jn dieſer Verbindung freilich wird ſie leicht unausrottbar. Man ſage dem 13 — 14 jährigen Zieräffchen, es ſey durch ſeine lieblich krauſen Manieren die Bewunderung des ganzen Kreiſes in dem es lebt, oder gar der ganzen Stadt, und es wird ſicher nicht unterlaſſen, ſeine ſchnippi- ſchen Minen und Gebehrdungen nebſt den ſämmt- lichen Kapriolen, die dazu gehören, täglich dem Spie- gel zuzuſchneiden. Man lehre das Mägdlein, das gern die Rechte der Erwachſenen an ſich reiſſen wollte, daß es durch ſtrenge Beobachtung der ge- wohnten geſellſchaftlichen Zeremonien um ſo viel früher für voll gelten könne: dieſe Lehre wird da ſicher fruchten, wo nicht ſchon beſſerer Same em- porgekommen und kräftig gediehen iſt. Die gute Elwire hörte mir ſehr aufmeröſam zu.

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/147>, abgerufen am 24.11.2024.