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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807.

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sie in's Deutsche, und laß sie die Kleine Dir wie-
der französisch erzählen, so wird ihr die Sprache
schon geläufig werden. Setze dann täglich eine
Stunde fest, wo sie Dir alles französisch sagen
muß, was sie erwiedert haben will, und halte ihr
späterhin, allenfalls auf ein Jahr, oder ein Paar
Jahre, eine Französin. Dann hast Du alles ge-
than, was man, wichtigerer Dinge unbeschadet,
für eine fremde Sprache thun darf. Willst Du
dann auch einmal noch eine Reise mit ihr nach
Genf, Lausanne, oder nach Frankreich ma-
chen, so wird ihr diese, außer dem Gewinn für
die Sprache, alsdann noch ganz andere Vortheile
bringen, da sie ihr jetzt nicht anders als nach-
theilig seyn könnte.

Warum ich so sehr gegen das Reisen mit ganz
jungen Kindern bin, hat außer jenem erst genann-
ten Grunde (daß nämlich alle neue Gegenstände
zu schnell und zu flüchtig an ihrem Geiste vorüber
eilen, nichts einen bleibenden Eindruck machen
kann, und eine gewiße, späterhin schwer zu besie-



ſie in’s Deutſche, und laß ſie die Kleine Dir wie-
der franzöſiſch erzählen, ſo wird ihr die Sprache
ſchon geläufig werden. Setze dann täglich eine
Stunde feſt, wo ſie Dir alles franzöſiſch ſagen
muß, was ſie erwiedert haben will, und halte ihr
ſpäterhin, allenfalls auf ein Jahr, oder ein Paar
Jahre, eine Franzöſin. Dann haſt Du alles ge-
than, was man, wichtigerer Dinge unbeſchadet,
für eine fremde Sprache thun darf. Willſt Du
dann auch einmal noch eine Reiſe mit ihr nach
Genf, Lauſanne, oder nach Frankreich ma-
chen, ſo wird ihr dieſe, außer dem Gewinn für
die Sprache, alsdann noch ganz andere Vortheile
bringen, da ſie ihr jetzt nicht anders als nach-
theilig ſeyn könnte.

Warum ich ſo ſehr gegen das Reiſen mit ganz
jungen Kindern bin, hat außer jenem erſt genann-
ten Grunde (daß nämlich alle neue Gegenſtände
zu ſchnell und zu flüchtig an ihrem Geiſte vorüber
eilen, nichts einen bleibenden Eindruck machen
kann, und eine gewiße, ſpäterhin ſchwer zu beſie-

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[76/0090] ſie in’s Deutſche, und laß ſie die Kleine Dir wie- der franzöſiſch erzählen, ſo wird ihr die Sprache ſchon geläufig werden. Setze dann täglich eine Stunde feſt, wo ſie Dir alles franzöſiſch ſagen muß, was ſie erwiedert haben will, und halte ihr ſpäterhin, allenfalls auf ein Jahr, oder ein Paar Jahre, eine Franzöſin. Dann haſt Du alles ge- than, was man, wichtigerer Dinge unbeſchadet, für eine fremde Sprache thun darf. Willſt Du dann auch einmal noch eine Reiſe mit ihr nach Genf, Lauſanne, oder nach Frankreich ma- chen, ſo wird ihr dieſe, außer dem Gewinn für die Sprache, alsdann noch ganz andere Vortheile bringen, da ſie ihr jetzt nicht anders als nach- theilig ſeyn könnte. Warum ich ſo ſehr gegen das Reiſen mit ganz jungen Kindern bin, hat außer jenem erſt genann- ten Grunde (daß nämlich alle neue Gegenſtände zu ſchnell und zu flüchtig an ihrem Geiſte vorüber eilen, nichts einen bleibenden Eindruck machen kann, und eine gewiße, ſpäterhin ſchwer zu beſie-

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/90>, abgerufen am 22.11.2024.