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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807.

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Kind entbehrt denn doch viel, wenn es niemals
feine Backwerke, künstlich gemischte Gerichte und
süße Weine bekommt! Wir Erwachsenen wissen
am besten, wie das schmeckt, und wie wohl ei-
nem dabei ist! Sollte man denn nun seinen Kin-
dern das nicht auch gönnen?" -- "O hätten Sie
die kleine Jda bei ihren Mahlzeiten gesehen! wä-
ren Sie einmal gegenwärtig, wenn ihr Sagosüpp-
chen, ihr Reißbrei, ihre Fleischsuppe u. dgl. ge-
bracht wird: wie sie in die kleinen Hände klopft,
und wie sie alles anlacht, was um sie ist! Jeder,
den sie lieb hat, muß einen Löffel voll davon
haben, sobald ihre erste Begierde gestillt ist. Von
ihrer Suppe müssen die Mutter, der Onkel und
Woldemar und die Gertrud durchaus kosten, und
dann jubelt sie, und fällt wieder von neuem dar-
über her. Vom Apfel kriegt auch sogar der Ka-
narienvogel sein Theil. Gewiß, Frau von Z*,
Sie würden Jda nicht mehr bedauern, noch mei-
ne Freundin tadeln, wenn sie einmal bei der
Fürstenmahlzeit dieses glücklichen Kindes gegen-
wärtig gewesen." -- Frau von R*, die mir zuge-
hört, kam an mich, und drückte mir leise die



Kind entbehrt denn doch viel, wenn es niemals
feine Backwerke, künſtlich gemiſchte Gerichte und
ſüße Weine bekommt! Wir Erwachſenen wiſſen
am beſten, wie das ſchmeckt, und wie wohl ei-
nem dabei iſt! Sollte man denn nun ſeinen Kin-
dern das nicht auch gönnen?‟ — „O hätten Sie
die kleine Jda bei ihren Mahlzeiten geſehen! wä-
ren Sie einmal gegenwärtig, wenn ihr Sagoſüpp-
chen, ihr Reißbrei, ihre Fleiſchſuppe u. dgl. ge-
bracht wird: wie ſie in die kleinen Hände klopft,
und wie ſie alles anlacht, was um ſie iſt! Jeder,
den ſie lieb hat, muß einen Löffel voll davon
haben, ſobald ihre erſte Begierde geſtillt iſt. Von
ihrer Suppe müſſen die Mutter, der Onkel und
Woldemar und die Gertrud durchaus koſten, und
dann jubelt ſie, und fällt wieder von neuem dar-
über her. Vom Apfel kriegt auch ſogar der Ka-
narienvogel ſein Theil. Gewiß, Frau von Z*,
Sie würden Jda nicht mehr bedauern, noch mei-
ne Freundin tadeln, wenn ſie einmal bei der
Fürſtenmahlzeit dieſes glücklichen Kindes gegen-
wärtig geweſen.‟ — Frau von R*, die mir zuge-
hört, kam an mich, und drückte mir leiſe die

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[71/0085] Kind entbehrt denn doch viel, wenn es niemals feine Backwerke, künſtlich gemiſchte Gerichte und ſüße Weine bekommt! Wir Erwachſenen wiſſen am beſten, wie das ſchmeckt, und wie wohl ei- nem dabei iſt! Sollte man denn nun ſeinen Kin- dern das nicht auch gönnen?‟ — „O hätten Sie die kleine Jda bei ihren Mahlzeiten geſehen! wä- ren Sie einmal gegenwärtig, wenn ihr Sagoſüpp- chen, ihr Reißbrei, ihre Fleiſchſuppe u. dgl. ge- bracht wird: wie ſie in die kleinen Hände klopft, und wie ſie alles anlacht, was um ſie iſt! Jeder, den ſie lieb hat, muß einen Löffel voll davon haben, ſobald ihre erſte Begierde geſtillt iſt. Von ihrer Suppe müſſen die Mutter, der Onkel und Woldemar und die Gertrud durchaus koſten, und dann jubelt ſie, und fällt wieder von neuem dar- über her. Vom Apfel kriegt auch ſogar der Ka- narienvogel ſein Theil. Gewiß, Frau von Z*, Sie würden Jda nicht mehr bedauern, noch mei- ne Freundin tadeln, wenn ſie einmal bei der Fürſtenmahlzeit dieſes glücklichen Kindes gegen- wärtig geweſen.‟ — Frau von R*, die mir zuge- hört, kam an mich, und drückte mir leiſe die

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/85>, abgerufen am 24.11.2024.