die, unter Knaben, von Männern auferzogen wurden, behielten minder oder mehr ihr lebenlang etwas Unweibliches an sich.
Jch. Setzen Sie aber auch hinzu, daß Wei- ber, die unter lauter Weibern aufwuchsen, z. B. in Klöstern, in sehr zahlreichen Pensionsanstal- ten, von dem weiblichen Kleinigkeitsgeiste bald ganz und gar beherrscht worden, und ihm später- hin nie mehr entrinnen mögen. Es gibt nichts elenderes, als diesen weiblichen Kleingeist.
Pfarrer. Das ist die unausbleibliche Folge solcher Einseitigkeit des Lebens. So wie die Män- ner, die lange oder immer ohne den wohlthäti- gen Einfluß Jhres Geschlechts leben, dafür mit der jämmerlichsten Pedanterei gestraft werden. Das ist die Rache der beleidigten Natur.
Das Uebrige dieses Gesprächs ist mir entfallen. Mir war aber in dieser Stunde theils durch eig- nes Aussprechen meiner Gedanken, theils durch des Pfarrers Ansichten manches klarer und ent- schiedener über diesen Punkt geworden, worüber ich bis dahin nicht auf dem Reinen war, wie ichs
die, unter Knaben, von Männern auferzogen wurden, behielten minder oder mehr ihr lebenlang etwas Unweibliches an ſich.
Jch. Setzen Sie aber auch hinzu, daß Wei- ber, die unter lauter Weibern aufwuchſen, z. B. in Klöſtern, in ſehr zahlreichen Penſionsanſtal- ten, von dem weiblichen Kleinigkeitsgeiſte bald ganz und gar beherrſcht worden, und ihm ſpäter- hin nie mehr entrinnen mögen. Es gibt nichts elenderes, als dieſen weiblichen Kleingeiſt.
Pfarrer. Das iſt die unausbleibliche Folge ſolcher Einſeitigkeit des Lebens. So wie die Män- ner, die lange oder immer ohne den wohlthäti- gen Einfluß Jhres Geſchlechts leben, dafür mit der jämmerlichſten Pedanterei geſtraft werden. Das iſt die Rache der beleidigten Natur.
Das Uebrige dieſes Geſprächs iſt mir entfallen. Mir war aber in dieſer Stunde theils durch eig- nes Ausſprechen meiner Gedanken, theils durch des Pfarrers Anſichten manches klarer und ent- ſchiedener über dieſen Punkt geworden, worüber ich bis dahin nicht auf dem Reinen war, wie ichs
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0321"n="307"/>
die, unter Knaben, von Männern auferzogen<lb/>
wurden, behielten minder oder mehr ihr lebenlang<lb/>
etwas Unweibliches an ſich.</p><lb/><p><hirendition="#g">Jch</hi>. Setzen Sie aber auch hinzu, daß Wei-<lb/>
ber, die unter lauter Weibern aufwuchſen, z. B.<lb/>
in Klöſtern, in ſehr zahlreichen Penſionsanſtal-<lb/>
ten, von dem weiblichen Kleinigkeitsgeiſte bald<lb/>
ganz und gar beherrſcht worden, und ihm ſpäter-<lb/>
hin nie mehr entrinnen mögen. Es gibt nichts<lb/>
elenderes, als dieſen weiblichen Kleingeiſt.</p><lb/><p><hirendition="#g">Pfarrer</hi>. Das iſt die unausbleibliche Folge<lb/>ſolcher Einſeitigkeit des Lebens. So wie die Män-<lb/>
ner, die lange oder immer ohne den wohlthäti-<lb/>
gen Einfluß Jhres Geſchlechts leben, dafür mit<lb/>
der jämmerlichſten Pedanterei geſtraft werden.<lb/>
Das iſt die Rache der beleidigten Natur.</p><lb/><p>Das Uebrige dieſes Geſprächs iſt mir entfallen.<lb/>
Mir war aber in dieſer Stunde theils durch eig-<lb/>
nes Ausſprechen meiner Gedanken, theils durch<lb/>
des Pfarrers Anſichten manches klarer und ent-<lb/>ſchiedener über dieſen Punkt geworden, worüber<lb/>
ich bis dahin nicht auf dem Reinen war, wie ichs<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[307/0321]
die, unter Knaben, von Männern auferzogen
wurden, behielten minder oder mehr ihr lebenlang
etwas Unweibliches an ſich.
Jch. Setzen Sie aber auch hinzu, daß Wei-
ber, die unter lauter Weibern aufwuchſen, z. B.
in Klöſtern, in ſehr zahlreichen Penſionsanſtal-
ten, von dem weiblichen Kleinigkeitsgeiſte bald
ganz und gar beherrſcht worden, und ihm ſpäter-
hin nie mehr entrinnen mögen. Es gibt nichts
elenderes, als dieſen weiblichen Kleingeiſt.
Pfarrer. Das iſt die unausbleibliche Folge
ſolcher Einſeitigkeit des Lebens. So wie die Män-
ner, die lange oder immer ohne den wohlthäti-
gen Einfluß Jhres Geſchlechts leben, dafür mit
der jämmerlichſten Pedanterei geſtraft werden.
Das iſt die Rache der beleidigten Natur.
Das Uebrige dieſes Geſprächs iſt mir entfallen.
Mir war aber in dieſer Stunde theils durch eig-
nes Ausſprechen meiner Gedanken, theils durch
des Pfarrers Anſichten manches klarer und ent-
ſchiedener über dieſen Punkt geworden, worüber
ich bis dahin nicht auf dem Reinen war, wie ichs
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/321>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.