Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807.

Bild:
<< vorherige Seite



macht lebendig. Nehmen wir welchen Gegen-
stand es sey, der aus verschiedenen regelmäßigen
Theilen zusammengesetzt ist -- des Kindes Körper
ist ihm freilich der nächste, und gewiß sehr brauch-
bar dazu, aber er sey nicht das einzige, was es
so nach allen seinen Theilen kennen lerne. Jch
würde ihn nicht einmal das erste seyn lassen, weil
die Dinge außer ihm zur Anschauung, besser als
er selbst, geschickt sind, und die minder künstlichen,
als das größte Kunstwerk der Natur (der mensch-
liche Körper), zur Entwickelung der ersten Be-
griffe von den Körpern immer tauglicher scheinen.
Wenn Du im Frühlinge mit Jda in Deinem
Gärtchen am Hause oder auf Deinem Landsitze
im großen Garten, oder in dem noch größern der
umliegenden Gegend wandelst, dann gieb Acht,
worauf die Blicke der Kleinen am häufigsten fal-
len, worauf sie am liebsten verweilen, und nach
welchen Gegenständen ihre kleinen Händchen sich
ausstrecken, um sie an sich zu reißen. Und wäre
es ein roher Stein -- gehe mit ihr hin, zeige
mit dem Finger darauf, und sage: Stein! suche
dann mehrere Steine und wiederhole, so oft sie



macht lebendig. Nehmen wir welchen Gegen-
ſtand es ſey, der aus verſchiedenen regelmäßigen
Theilen zuſammengeſetzt iſt — des Kindes Körper
iſt ihm freilich der nächſte, und gewiß ſehr brauch-
bar dazu, aber er ſey nicht das einzige, was es
ſo nach allen ſeinen Theilen kennen lerne. Jch
würde ihn nicht einmal das erſte ſeyn laſſen, weil
die Dinge außer ihm zur Anſchauung, beſſer als
er ſelbſt, geſchickt ſind, und die minder künſtlichen,
als das größte Kunſtwerk der Natur (der menſch-
liche Körper), zur Entwickelung der erſten Be-
griffe von den Körpern immer tauglicher ſcheinen.
Wenn Du im Frühlinge mit Jda in Deinem
Gärtchen am Hauſe oder auf Deinem Landſitze
im großen Garten, oder in dem noch größern der
umliegenden Gegend wandelſt, dann gieb Acht,
worauf die Blicke der Kleinen am häufigſten fal-
len, worauf ſie am liebſten verweilen, und nach
welchen Gegenſtänden ihre kleinen Händchen ſich
ausſtrecken, um ſie an ſich zu reißen. Und wäre
es ein roher Stein — gehe mit ihr hin, zeige
mit dem Finger darauf, und ſage: Stein! ſuche
dann mehrere Steine und wiederhole, ſo oft ſie

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0032" n="18"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
macht lebendig. Nehmen wir welchen Gegen-<lb/>
&#x017F;tand es &#x017F;ey, der aus ver&#x017F;chiedenen regelmäßigen<lb/>
Theilen zu&#x017F;ammenge&#x017F;etzt i&#x017F;t &#x2014; des Kindes Körper<lb/>
i&#x017F;t ihm freilich der näch&#x017F;te, und gewiß &#x017F;ehr brauch-<lb/>
bar dazu, aber er &#x017F;ey nicht das einzige, was es<lb/>
&#x017F;o nach allen &#x017F;einen Theilen kennen lerne. Jch<lb/>
würde ihn nicht einmal das er&#x017F;te &#x017F;eyn la&#x017F;&#x017F;en, weil<lb/>
die Dinge außer ihm zur An&#x017F;chauung, be&#x017F;&#x017F;er als<lb/>
er &#x017F;elb&#x017F;t, ge&#x017F;chickt &#x017F;ind, und die minder kün&#x017F;tlichen,<lb/>
als das größte Kun&#x017F;twerk der Natur (der men&#x017F;ch-<lb/>
liche Körper), zur Entwickelung der er&#x017F;ten Be-<lb/>
griffe von den Körpern immer tauglicher &#x017F;cheinen.<lb/>
Wenn Du im Frühlinge mit Jda in Deinem<lb/>
Gärtchen am Hau&#x017F;e oder auf Deinem Land&#x017F;itze<lb/>
im großen Garten, oder in dem noch größern der<lb/>
umliegenden Gegend wandel&#x017F;t, dann gieb Acht,<lb/>
worauf die Blicke der Kleinen am häufig&#x017F;ten fal-<lb/>
len, worauf &#x017F;ie am lieb&#x017F;ten verweilen, und nach<lb/>
welchen Gegen&#x017F;tänden ihre kleinen Händchen &#x017F;ich<lb/>
aus&#x017F;trecken, um &#x017F;ie an &#x017F;ich zu reißen. Und wäre<lb/>
es ein roher Stein &#x2014; gehe mit ihr hin, zeige<lb/>
mit dem Finger darauf, und &#x017F;age: Stein! &#x017F;uche<lb/>
dann mehrere Steine und wiederhole, &#x017F;o oft &#x017F;ie<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[18/0032] macht lebendig. Nehmen wir welchen Gegen- ſtand es ſey, der aus verſchiedenen regelmäßigen Theilen zuſammengeſetzt iſt — des Kindes Körper iſt ihm freilich der nächſte, und gewiß ſehr brauch- bar dazu, aber er ſey nicht das einzige, was es ſo nach allen ſeinen Theilen kennen lerne. Jch würde ihn nicht einmal das erſte ſeyn laſſen, weil die Dinge außer ihm zur Anſchauung, beſſer als er ſelbſt, geſchickt ſind, und die minder künſtlichen, als das größte Kunſtwerk der Natur (der menſch- liche Körper), zur Entwickelung der erſten Be- griffe von den Körpern immer tauglicher ſcheinen. Wenn Du im Frühlinge mit Jda in Deinem Gärtchen am Hauſe oder auf Deinem Landſitze im großen Garten, oder in dem noch größern der umliegenden Gegend wandelſt, dann gieb Acht, worauf die Blicke der Kleinen am häufigſten fal- len, worauf ſie am liebſten verweilen, und nach welchen Gegenſtänden ihre kleinen Händchen ſich ausſtrecken, um ſie an ſich zu reißen. Und wäre es ein roher Stein — gehe mit ihr hin, zeige mit dem Finger darauf, und ſage: Stein! ſuche dann mehrere Steine und wiederhole, ſo oft ſie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/32
Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/32>, abgerufen am 24.11.2024.