Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807.

Bild:
<< vorherige Seite

rern immer auf der Post nachfolgen wird, haben
unsere drei Mädchen recht fleißig gearbeitet.

Wie viel ist da gestrickt und genäht worden!
Auch mit schönen Geldbörsen sind die Reisenden
aufs neue versorgt worden.

Seit zwei Monaten ließen sich die Kinder
Morgens eine Stunde früher wecken, um recht
viel fertig zu schaffen. Der Wetteifer unter ih-
nen war erstaunlich. Gestern, als alles fertig
war, baten sich die drei die Erlaubniß aus, ihre
Arbeiten selbst unten in den Koffer packen zu dür-
fen; jedes practizierte noch ein kleines Privat-
Andenken so listig mit hinein, als ob es die schlimm-
ste Kontrebande sey.

Jda hatte das Löckchen von ihrem Haar abge-
schnitten, mit dem Woldemar fast immer spielte,
hatte es sauber in ein Papierchen gewickelt und
darauf geschrieben: Woldemar's Locke. Clärchen
hatte mit ächt kindlichem Landwitz ein Vergiß-
meinnicht gezeichnet, und drunter geschrieben:

rern immer auf der Poſt nachfolgen wird, haben
unſere drei Mädchen recht fleißig gearbeitet.

Wie viel iſt da geſtrickt und genäht worden!
Auch mit ſchönen Geldbörſen ſind die Reiſenden
aufs neue verſorgt worden.

Seit zwei Monaten ließen ſich die Kinder
Morgens eine Stunde früher wecken, um recht
viel fertig zu ſchaffen. Der Wetteifer unter ih-
nen war erſtaunlich. Geſtern, als alles fertig
war, baten ſich die drei die Erlaubniß aus, ihre
Arbeiten ſelbſt unten in den Koffer packen zu dür-
fen; jedes practizierte noch ein kleines Privat-
Andenken ſo liſtig mit hinein, als ob es die ſchlimm-
ſte Kontrebande ſey.

Jda hatte das Löckchen von ihrem Haar abge-
ſchnitten, mit dem Woldemar faſt immer ſpielte,
hatte es ſauber in ein Papierchen gewickelt und
darauf geſchrieben: Woldemar’s Locke. Clärchen
hatte mit ächt kindlichem Landwitz ein Vergiß-
meinnicht gezeichnet, und drunter geſchrieben:

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0308" n="294"/>
rern immer auf der Po&#x017F;t nachfolgen wird, haben<lb/>
un&#x017F;ere drei Mädchen recht fleißig gearbeitet.</p><lb/>
          <p>Wie viel i&#x017F;t da ge&#x017F;trickt und genäht worden!<lb/>
Auch mit &#x017F;chönen Geldbör&#x017F;en &#x017F;ind die Rei&#x017F;enden<lb/>
aufs neue ver&#x017F;orgt worden.</p><lb/>
          <p>Seit zwei Monaten ließen &#x017F;ich die Kinder<lb/>
Morgens eine Stunde früher wecken, um recht<lb/>
viel fertig zu &#x017F;chaffen. Der Wetteifer unter ih-<lb/>
nen war er&#x017F;taunlich. Ge&#x017F;tern, als alles fertig<lb/>
war, baten &#x017F;ich die drei die Erlaubniß aus, ihre<lb/>
Arbeiten &#x017F;elb&#x017F;t unten in den Koffer packen zu dür-<lb/>
fen; jedes practizierte noch ein kleines Privat-<lb/>
Andenken &#x017F;o li&#x017F;tig mit hinein, als ob es die &#x017F;chlimm-<lb/>
&#x017F;te Kontrebande &#x017F;ey.</p><lb/>
          <p>Jda hatte das Löckchen von ihrem Haar abge-<lb/>
&#x017F;chnitten, mit dem Woldemar fa&#x017F;t immer &#x017F;pielte,<lb/>
hatte es &#x017F;auber in ein Papierchen gewickelt und<lb/>
darauf ge&#x017F;chrieben: Woldemar&#x2019;s Locke. Clärchen<lb/>
hatte mit ächt kindlichem Landwitz ein Vergiß-<lb/>
meinnicht gezeichnet, und drunter ge&#x017F;chrieben:<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[294/0308] rern immer auf der Poſt nachfolgen wird, haben unſere drei Mädchen recht fleißig gearbeitet. Wie viel iſt da geſtrickt und genäht worden! Auch mit ſchönen Geldbörſen ſind die Reiſenden aufs neue verſorgt worden. Seit zwei Monaten ließen ſich die Kinder Morgens eine Stunde früher wecken, um recht viel fertig zu ſchaffen. Der Wetteifer unter ih- nen war erſtaunlich. Geſtern, als alles fertig war, baten ſich die drei die Erlaubniß aus, ihre Arbeiten ſelbſt unten in den Koffer packen zu dür- fen; jedes practizierte noch ein kleines Privat- Andenken ſo liſtig mit hinein, als ob es die ſchlimm- ſte Kontrebande ſey. Jda hatte das Löckchen von ihrem Haar abge- ſchnitten, mit dem Woldemar faſt immer ſpielte, hatte es ſauber in ein Papierchen gewickelt und darauf geſchrieben: Woldemar’s Locke. Clärchen hatte mit ächt kindlichem Landwitz ein Vergiß- meinnicht gezeichnet, und drunter geſchrieben:

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/308
Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/308>, abgerufen am 22.11.2024.