Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807.

Bild:
<< vorherige Seite

wie sie es wohl anfangen möchten, mich zu bereden,
daß ich eine Reise mit ihnen nach der Schweiz
und -- wohl gar, nach Jtalien machte? Jetzt
weißt Du ohngefähr, durch welche Mittel Deine
Freundin den poetischen Sinn in unsern Kindern
zu entfalten sucht. Alle Drei freuen sich der Stun-
de, und können sie fast nicht erwarten. Heiterer
und lebendiger sind sie nie. Jede Störung dieser
Stunde, und wäre sie auch die angenehmste,
kommt ihnen ungelegen. Fürchte aber nicht, daß
der Hang zur süßen poetischen Schwermuth über-
wiegend bei ihnen werde. Die Prosa des Lebens
wird schon ihr Recht behaupten.

Zur nächsten Stunde hat Mathilde den Per-
lenkranz von Pfeffel zur Aufgabe. Clärchen hat
Hölty's Elegie auf ein Landmädchen gewählt,
Jda, Bürger's Blümchen Wunderhold. Erklärt
wird ihnen von den gewählten oder aufgegebenen
Stücken nie alles unverstanden. Mehrere
dunkele Stellen werden ihnen zum eigenen Nach-
sinnen so dunkel überlassen. Jede hat ein weis-
ses Buch. Jn dieses wird ihnen zum Preise ein

wie ſie es wohl anfangen möchten, mich zu bereden,
daß ich eine Reiſe mit ihnen nach der Schweiz
und — wohl gar, nach Jtalien machte? Jetzt
weißt Du ohngefähr, durch welche Mittel Deine
Freundin den poetiſchen Sinn in unſern Kindern
zu entfalten ſucht. Alle Drei freuen ſich der Stun-
de, und können ſie faſt nicht erwarten. Heiterer
und lebendiger ſind ſie nie. Jede Störung dieſer
Stunde, und wäre ſie auch die angenehmſte,
kommt ihnen ungelegen. Fürchte aber nicht, daß
der Hang zur ſüßen poetiſchen Schwermuth über-
wiegend bei ihnen werde. Die Proſa des Lebens
wird ſchon ihr Recht behaupten.

Zur nächſten Stunde hat Mathilde den Per-
lenkranz von Pfeffel zur Aufgabe. Clärchen hat
Hölty’s Elegie auf ein Landmädchen gewählt,
Jda, Bürger’s Blümchen Wunderhold. Erklärt
wird ihnen von den gewählten oder aufgegebenen
Stücken nie alles unverſtanden. Mehrere
dunkele Stellen werden ihnen zum eigenen Nach-
ſinnen ſo dunkel überlaſſen. Jede hat ein weiſ-
ſes Buch. Jn dieſes wird ihnen zum Preiſe ein

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0301" n="287"/>
wie &#x017F;ie es wohl anfangen möchten, mich zu bereden,<lb/>
daß ich eine Rei&#x017F;e mit ihnen nach der Schweiz<lb/>
und &#x2014; wohl gar, nach Jtalien machte? Jetzt<lb/>
weißt Du ohngefähr, durch welche Mittel Deine<lb/>
Freundin den poeti&#x017F;chen Sinn in un&#x017F;ern Kindern<lb/>
zu entfalten &#x017F;ucht. Alle Drei freuen &#x017F;ich der Stun-<lb/>
de, und können &#x017F;ie fa&#x017F;t nicht erwarten. Heiterer<lb/>
und lebendiger &#x017F;ind &#x017F;ie nie. Jede Störung die&#x017F;er<lb/>
Stunde, und wäre &#x017F;ie auch die angenehm&#x017F;te,<lb/>
kommt ihnen ungelegen. Fürchte aber nicht, daß<lb/>
der Hang zur &#x017F;üßen poeti&#x017F;chen Schwermuth über-<lb/>
wiegend bei ihnen werde. Die Pro&#x017F;a des Lebens<lb/>
wird &#x017F;chon ihr Recht behaupten.</p><lb/>
          <p>Zur näch&#x017F;ten Stunde hat Mathilde den Per-<lb/>
lenkranz von Pfeffel zur Aufgabe. Clärchen hat<lb/>
Hölty&#x2019;s Elegie auf ein Landmädchen gewählt,<lb/>
Jda, Bürger&#x2019;s Blümchen Wunderhold. Erklärt<lb/>
wird ihnen von den gewählten oder aufgegebenen<lb/>
Stücken <hi rendition="#g">nie alles unver&#x017F;tanden</hi>. Mehrere<lb/>
dunkele Stellen werden ihnen zum eigenen Nach-<lb/>
&#x017F;innen &#x017F;o dunkel überla&#x017F;&#x017F;en. Jede hat ein wei&#x017F;-<lb/>
&#x017F;es Buch. Jn die&#x017F;es wird ihnen zum Prei&#x017F;e ein<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[287/0301] wie ſie es wohl anfangen möchten, mich zu bereden, daß ich eine Reiſe mit ihnen nach der Schweiz und — wohl gar, nach Jtalien machte? Jetzt weißt Du ohngefähr, durch welche Mittel Deine Freundin den poetiſchen Sinn in unſern Kindern zu entfalten ſucht. Alle Drei freuen ſich der Stun- de, und können ſie faſt nicht erwarten. Heiterer und lebendiger ſind ſie nie. Jede Störung dieſer Stunde, und wäre ſie auch die angenehmſte, kommt ihnen ungelegen. Fürchte aber nicht, daß der Hang zur ſüßen poetiſchen Schwermuth über- wiegend bei ihnen werde. Die Proſa des Lebens wird ſchon ihr Recht behaupten. Zur nächſten Stunde hat Mathilde den Per- lenkranz von Pfeffel zur Aufgabe. Clärchen hat Hölty’s Elegie auf ein Landmädchen gewählt, Jda, Bürger’s Blümchen Wunderhold. Erklärt wird ihnen von den gewählten oder aufgegebenen Stücken nie alles unverſtanden. Mehrere dunkele Stellen werden ihnen zum eigenen Nach- ſinnen ſo dunkel überlaſſen. Jede hat ein weiſ- ſes Buch. Jn dieſes wird ihnen zum Preiſe ein

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/301
Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/301>, abgerufen am 24.11.2024.