Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807.
zu sehen. Mathildens dreister freier Anstand Jhr Gesicht strahlte von Gesundheit und Freude.
zu ſehen. Mathildens dreiſter freier Anſtand Jhr Geſicht ſtrahlte von Geſundheit und Freude. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><hi rendition="#g"><pb facs="#f0290" n="276"/> zu ſehen</hi>. Mathildens dreiſter freier Anſtand<lb/> zog zuerſt die Blicke auf ſich. Man redete ſie<lb/> franzöſiſch an: ſie faßte ſich ſchnell genug zur<lb/> Antwort. Das Gefühl ihrer Geiſtesgegenwart<lb/> that ihr ſelbſt wohl, ſie ward immer beherzter<lb/> und antwortete recht verſtändig. — Die Damen<lb/> ſahen einander an — Sie hatten vermuthlich von<lb/> den Kindern jene ſcheue Blödigkeit erwartet, die<lb/> freilich auch der Erfolg einer eingezogenen Kind-<lb/> heit werden kann und werden muß, wenn man<lb/> ihrem kindlichen Geiſte nicht auf eine andere Weiſe<lb/> ſeine Freiheit bewahrt, als durch den öftern An-<lb/> blick der großen Welt. Jetzt kam die Reihe an<lb/> Clärchen, die rothbackigte Pfarrerstochter, wie<lb/> ich ſie hinter mir nennen hörte.</p><lb/> <p>Jhr Geſicht ſtrahlte von Geſundheit und Freude.<lb/> Sind ſie zum erſtenmale im Konzert? fragte man<lb/> ſie. Ja. — Wie gefällt es ihnen denn hier? —<lb/> Das weiß ich noch nicht, war ihre Antwort, ich<lb/> habe ja noch nichts gehört. — Aber wie gefallen<lb/> ihnen die geputzten Leute? — O die habe ich noch<lb/> nicht recht geſehen; ich kann ja vor lauter Licht<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [276/0290]
zu ſehen. Mathildens dreiſter freier Anſtand
zog zuerſt die Blicke auf ſich. Man redete ſie
franzöſiſch an: ſie faßte ſich ſchnell genug zur
Antwort. Das Gefühl ihrer Geiſtesgegenwart
that ihr ſelbſt wohl, ſie ward immer beherzter
und antwortete recht verſtändig. — Die Damen
ſahen einander an — Sie hatten vermuthlich von
den Kindern jene ſcheue Blödigkeit erwartet, die
freilich auch der Erfolg einer eingezogenen Kind-
heit werden kann und werden muß, wenn man
ihrem kindlichen Geiſte nicht auf eine andere Weiſe
ſeine Freiheit bewahrt, als durch den öftern An-
blick der großen Welt. Jetzt kam die Reihe an
Clärchen, die rothbackigte Pfarrerstochter, wie
ich ſie hinter mir nennen hörte.
Jhr Geſicht ſtrahlte von Geſundheit und Freude.
Sind ſie zum erſtenmale im Konzert? fragte man
ſie. Ja. — Wie gefällt es ihnen denn hier? —
Das weiß ich noch nicht, war ihre Antwort, ich
habe ja noch nichts gehört. — Aber wie gefallen
ihnen die geputzten Leute? — O die habe ich noch
nicht recht geſehen; ich kann ja vor lauter Licht
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Zitationshilfe: | Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/290>, abgerufen am 27.07.2024. |