Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807.

Bild:
<< vorherige Seite

chen: aber das gab sich bald. Er weis't sie recht
sanft zurecht. Auch hat er das gewöhnliche Fade
der französischen Tanzmeister nicht. Jch nahm
ihn, ehe die Stunden angingen, allein, und bat
ihn, daß er ja keins von den Kindern auszeich-
nen, keins auf Unkosten des andern loben, oder
dem andern zum Beispiel aufstellen möchte, weil
dies Loben nichts taugte, und es sich mit dem Bei-
spiel nehmen von selbst finden würde. Sie wären
ohnedieß gewohnt, das Vorzügliche an einander
zu bemerken. Das wollt' ihm erst nicht einleuch-
ten, er hatte noch die gewohnten Begriffe des
effets etonnants d'une noble emu-
lation
.
Jch konnte ihm nicht ganz begreiflich
machen, daß der edle Wetteifer aus uns selbst,
aus eigenem innern Quell entspringen müsse, und
Kindern voll Kraft und Feuer nicht gegeben wer-
den könne noch dürfe, und daß er von dem eifer-
süchtigen eingepredigten Streben, es dem Andern
in allem gleich, oder zuvor zu thun, noch sehr ver-
schieden sey. Daß das letztere mit Hochmuth, Ei-
gensucht, Neid, oft sehr nahe verwandt sey, und der
erstere aus einem schönen Ehrtriebe stamme, der

(33)

chen: aber das gab ſich bald. Er weiſ’t ſie recht
ſanft zurecht. Auch hat er das gewöhnliche Fade
der franzöſiſchen Tanzmeiſter nicht. Jch nahm
ihn, ehe die Stunden angingen, allein, und bat
ihn, daß er ja keins von den Kindern auszeich-
nen, keins auf Unkoſten des andern loben, oder
dem andern zum Beiſpiel aufſtellen möchte, weil
dies Loben nichts taugte, und es ſich mit dem Bei-
ſpiel nehmen von ſelbſt finden würde. Sie wären
ohnedieß gewohnt, das Vorzügliche an einander
zu bemerken. Das wollt’ ihm erſt nicht einleuch-
ten, er hatte noch die gewohnten Begriffe des
effets étonnants d’une noble ému-
lation
.
Jch konnte ihm nicht ganz begreiflich
machen, daß der edle Wetteifer aus uns ſelbſt,
aus eigenem innern Quell entſpringen müſſe, und
Kindern voll Kraft und Feuer nicht gegeben wer-
den könne noch dürfe, und daß er von dem eifer-
ſüchtigen eingepredigten Streben, es dem Andern
in allem gleich, oder zuvor zu thun, noch ſehr ver-
ſchieden ſey. Daß das letztere mit Hochmuth, Ei-
genſucht, Neid, oft ſehr nahe verwandt ſey, und der
erſtere aus einem ſchönen Ehrtriebe ſtamme, der

(33)
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0271" n="257"/>
chen: aber das gab &#x017F;ich bald. Er wei&#x017F;&#x2019;t &#x017F;ie recht<lb/>
&#x017F;anft zurecht. Auch hat er das gewöhnliche Fade<lb/>
der franzö&#x017F;i&#x017F;chen Tanzmei&#x017F;ter nicht. Jch nahm<lb/>
ihn, ehe die Stunden angingen, allein, und bat<lb/>
ihn, daß er ja keins von den Kindern auszeich-<lb/>
nen, keins auf Unko&#x017F;ten des andern loben, oder<lb/>
dem andern zum Bei&#x017F;piel auf&#x017F;tellen möchte, weil<lb/>
dies Loben nichts taugte, und es &#x017F;ich mit dem Bei-<lb/>
&#x017F;piel nehmen von &#x017F;elb&#x017F;t finden würde. Sie wären<lb/>
ohnedieß gewohnt, das Vorzügliche an einander<lb/>
zu bemerken. Das wollt&#x2019; ihm er&#x017F;t nicht einleuch-<lb/>
ten, er hatte noch die gewohnten Begriffe <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g"><hi rendition="#i">des<lb/>
effets étonnants d&#x2019;une noble ému-<lb/>
lation</hi></hi>.</hi> Jch konnte ihm nicht ganz begreiflich<lb/>
machen, daß der edle Wetteifer aus uns &#x017F;elb&#x017F;t,<lb/>
aus eigenem innern Quell ent&#x017F;pringen mü&#x017F;&#x017F;e, und<lb/>
Kindern voll Kraft und Feuer nicht gegeben wer-<lb/>
den könne noch dürfe, und daß er von dem eifer-<lb/>
&#x017F;üchtigen eingepredigten Streben, es dem Andern<lb/>
in allem gleich, oder zuvor zu thun, noch &#x017F;ehr ver-<lb/>
&#x017F;chieden &#x017F;ey. Daß das letztere mit Hochmuth, Ei-<lb/>
gen&#x017F;ucht, Neid, oft &#x017F;ehr nahe verwandt &#x017F;ey, und der<lb/>
er&#x017F;tere aus einem &#x017F;chönen Ehrtriebe &#x017F;tamme, der<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">(33)</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[257/0271] chen: aber das gab ſich bald. Er weiſ’t ſie recht ſanft zurecht. Auch hat er das gewöhnliche Fade der franzöſiſchen Tanzmeiſter nicht. Jch nahm ihn, ehe die Stunden angingen, allein, und bat ihn, daß er ja keins von den Kindern auszeich- nen, keins auf Unkoſten des andern loben, oder dem andern zum Beiſpiel aufſtellen möchte, weil dies Loben nichts taugte, und es ſich mit dem Bei- ſpiel nehmen von ſelbſt finden würde. Sie wären ohnedieß gewohnt, das Vorzügliche an einander zu bemerken. Das wollt’ ihm erſt nicht einleuch- ten, er hatte noch die gewohnten Begriffe des effets étonnants d’une noble ému- lation. Jch konnte ihm nicht ganz begreiflich machen, daß der edle Wetteifer aus uns ſelbſt, aus eigenem innern Quell entſpringen müſſe, und Kindern voll Kraft und Feuer nicht gegeben wer- den könne noch dürfe, und daß er von dem eifer- ſüchtigen eingepredigten Streben, es dem Andern in allem gleich, oder zuvor zu thun, noch ſehr ver- ſchieden ſey. Daß das letztere mit Hochmuth, Ei- genſucht, Neid, oft ſehr nahe verwandt ſey, und der erſtere aus einem ſchönen Ehrtriebe ſtamme, der (33)

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/271
Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/271>, abgerufen am 25.11.2024.